Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
Dialog bei Bier und geräuchertem Lachs vertan. Ich hätte ihn zu gerne gefragt, was ihn antreibt und warum er bei allem, was er tut, der Größte sein muss. In der Dämmerung mache ich noch einen Versuch und rufe bei seiner Hausdame an, aber er wünscht keinen Kontakt.
Einmal im Jahr nimmt John Fredriksen an der Nor-Shipping in Oslo teil; das ist die größte Schiffsmesse des Nordens. Die letzte Chance für einen Kontakt. Wir suchen den ganzen Tag vergebens nach ihm. Ein norwegischer Schiffsmakler tröstet mich: »John ist eben ein scheuer Mensch, aber heute Nacht kommt er bestimmt.« Denn heute ist die Nacht der Großreeder. Eine exklusive Party auf dem Segelschulschiff Christian Radich mit Champagner und Kaviar.
Wir bauen uns vor dem Großsegler auf und warten. Nichts. Spät in der Nacht lassen sich schließlich seine Zwillingstöchter blicken. In schwarzen Minikleidern und mit High Heels klackern sie über die schwankende Gangway an Bord. Sie erben ein Milliardenvermögen und werden sofort von Dutzenden heiratswilligen Männern umschwärmt. Schon jetzt arbeiten sie in den Vorständen von Papas Unternehmen mit: Kathrine macht in Schiffen, Cecilie in Lachs. Am nächsten Abend haben wir Glück. Wir entdecken John Fredriksen zufällig auf der Osloer Uferpromenade.
Arno Schumann geht mit laufender Kamera auf ihn zu, seine Getreuen schützen ihn mit einem Kreis. Ich rufe ihm durch den menschlichen Schutzwall hindurch zu, ob er sich für das Unglück verantwortlich fühlt, das Chile gerade durchmacht. Der König der Lachse geht mit unbewegter Miene weiter, reagiert dann aber doch mit einem kleinen Scherz: »Ich bin doch nur ein Lachsangler.« Als ich ihn daran erinnere, dass Marine Harvest ihm gehört, verändert er sofort den Tonfall und wird ernst: »Mit dem operativen Geschäft befasse ich mich nicht. Aber es tut mir leid, was passiert ist. Ich bedauere alle, die dort zu Schaden gekommen sind.« Dann verschwindet er in einem Luxusrestaurant und lässt es sich bei Austern, Fisch und Wein gutgehen. Auf zu neuen Geschäften. Chilenischer Lachs wird hier nicht serviert.
Warum will der WWF ausgerechnet mit Menschen wie John Fredriksen den Planeten retten? Er ist der Prototyp des Finanzinvestors, sein Gesetz ist der Profit; die natürlichen Ressourcen der Erde sind für ihn vermutlich kaum mehr, als der Stoff, aus dem er sein kaltes monetäres Schloss formt. Er könnte als einer der Bösewichte in die Geschichte des Kapitalismus eingehen, wäre nicht, wie durch eine himmlische Fügung, der Panda auf seinem Schoß gelandet. Seitdem leuchtet sein Unternehmen wundersam grün.
Inzwischen landet über die Hälfte des weltweiten Fischfanges in den Mühlen der Fischmehlfabriken, statt auf dem Speisetisch der Menschen. Weil die Vorräte sich dem Ende neigen, schickt die Lachsindustrie neuerdings riesige Fangschiffe in die Arktis, um Krill zu fischen. Diese Kleinkrebse gelten als das »Brot der Meere« und sind die größte Nahrungsmittelreserve der maritimen Systeme. Auch daraus wird jetzt Lachsfutter gemacht.
Chilenische Mastlachse werden mit Transportflugzeugen rund um die Erde geflogen, um mundgerecht auf dem Tisch eines Restaurants in Paris, Tokio oder New York zu landen. Vor dem Gast liegt ein unschuldig aussehendes, zart-rosafarbenes Stück Fleisch. Man sieht dem Lachs nicht mehr an, welchen Leidensweg er hinter sich hat, wie viele Chemikalien und Antibiotika er schlucken musste, damit er die Mast übersteht, und man sieht auch nicht, wie viel Energie für seine Produktion und bei den langen Transportwegen vergeudet wurde. Wirtschaftlich funktioniert das Ganze, aber wem nutzt es, und ist so etwas gesellschaftlich vernünftig?
Die industrielle Mast beschleunigt die Zerstörung der natürlichen Ressourcen und vernichtet die traditionelle Fischerei. »Nachhaltige Lachszucht« ist demnach ein Märchen, das von der Industrie und dem WWF gemeinsam erfunden wurde, um unseren kritischen Verstand einzuschläfern. Es gibt keinen richtigen Weg, das Falsche zu tun. Die großen Haie fressen alles, was ihnen im Weg ist, und die politischen Instanzen, die eigentlich die Interessen der Zivilgesellschaft vertreten sollten, wirken kraftlos und überlassen es den Großkonzernen, die globalen Spielregeln festzulegen.
Der WWF schwimmt mit den Haien, in der kühnen Hoffnung, sie mit seinen moralischen Appellen in Vegetarier zu verwandeln. Im Sommer 2011 ist sich der WWF mit der Lachsbranche einig geworden und gemeinsam hat man das
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