Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
Kolonialverwaltung Tanganjikas auf eine salomonische Lösung: Der Nationalpark Serengeti sollte von 5000 auf 1800 Quadratmeilen verkleinert werden. Die Massai müssten den verkleinerten Park dann räumen. In Europa und den USA brach ein Proteststurm los, der sich für die britische Kolonialverwaltung zu einem Tornado entwickelte, als sich der deutsche Tierschützer Bernhard Grzimek einmischte. Er zeigte der Welt, wie man mit einer radikalen PR-Kampagne politische Entscheidungen rückgängig machen kann. Der Zoodirektor aus Frankfurt wurde durch seine Serengeti-Mission zur ideologischen Leitfigur des modernen Naturschutzes – und des WWF.
Grzimeks Mission
Prof. Bernhard Grzimek flog mit seinem Sohn Michael über die Serengeti, um die Wanderungen der großen Tiere zu beobachten. Das Ergebnis veröffentlichte er 1956 in seinem Buch Kein Platz für wilde Tiere. Ohne wissenschaftliche Belege für seine apokalyptischen Thesen kündigte er an: »Die wilden Tiere Afrikas sind zum Aussterben verdammt.« In der Serengeti lebten zu viele Menschen, die Wälder und Steppen würden sich deshalb in Wüsten verwandeln. Er war davon überzeugt, dass Hirtenvölker grundsätzlich die Ökosysteme zerstören, in denen sie leben. Eine Irrlehre, wie schon damals profilierte Wissenschaftler wussten. So kam der in Kenia lebende Naturschützer David Western nach jahrelangem Studium der Massai zu dem Urteil: »Die Hirten sind der eigentliche Grund dafür, dass es hier noch so viele wilde Tiere gibt.«5 Doch die westliche Ignoranz war stärker als die Erfahrungen der Fachleute vor Ort.
Bernhard Grzimek als Briefmarke
1959 legte Bernhard Grzimek mit einem Bestseller nach: Serengeti darf nicht sterben. Das Buch wurde in 17 Sprachen übersetzt und diente seinem Sohn Michael als Vorlage für den gleichnamigen Film, der prompt für einen Oscar nominiert wurde. Die wichtigste Botschaft der Grzimeks: Wenn man die Serengeti retten will, müssen die Massai weg. Natur als menschenfreier Ort – niemand sonst hat dieses Mantra einer elitären, westlichen Naturverklärung besser und schärfer formuliert als der Zoodirektor aus Frankfurt. Seine rassistisch angehauchte Haltung verbarg Grzimek hinter dem gestelzten Vokabular der Wohlmeinenden: »Wir Europäer müssen unseren schwarzen Brüdern helfen, ihren eigenen Besitz schätzen zu lernen ... weil wir nicht wollen, dass sie unsere Fehler und Sünden wiederholen.«6 Das Publikum und Hollywood applaudierte, und die britische Kolonialverwaltung versuchte – kurz bevor Serengeti darf nicht sterben auf den Markt kam –, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
1958 legte sie den Massai-Häuptlingen eine Erklärung zur Unterschrift vor, wonach sie und ihr Volk den Serengeti-Park »freiwillig« verlassen würden. Raymond Bonner, Reporter der New York Times, fand 30 Jahre später einen der wenigen noch lebenden Unterzeichner: Tendemo ole Kisaka. Der alte Mann erzählte ihm, wie die »Vertragsunterzeichnung« abgelaufen war: »Uns wurde befohlen, zu unterschreiben. Worum es ging, wurde nicht erklärt. Keiner der Stammesführer konnte lesen oder schreiben.«7 Dann fügte der alte Mann grinsend hinzu: »Ihr Weißen seid ganz schön tough.«
Das Volk, das die Serengeti seit 4000 Jahren besiedelt hatte, wurde vertrieben. Eine blutige und grausame Operation, bei der 100.000 Massai ihre Heimat verloren. Von London aus sah eine Gruppe adliger Großwildjäger und Naturschützer dem Treiben des deutschen Zoodirektors wohlwollend zu. Seine durchschlagende Serengeti-Kampagne, so kann vermutet werden, inspirierte sie, ein eigenes, noch viel größeres Projekt auszubrüten: den WWF. Eine Art Internationale für die Belange der Wildnis.
Die meisten Naturvölker haben in ihren Sprachen kein eigenes Wort für »Wildnis«. Sie sind einfach da, so wie die Pflanzen und Tiere, von denen sie leben. »Umwelt« ist die materielle Basis allen Lebens. Kein Naturvolk der Erde käme auf die Idee, die Wildnis mutwillig zu zerstören. Ihr »Naturschutz« gründet in der Einheit von Mensch und Natur. Für die westlichen Naturschützer dagegen ist der »jungfräuliche Wald« ein rückwärtsgewandter Traum – das verlorene Paradies. Denn ihre eigenen Urwälder haben Europäer und Nordamerikaner bereits vor langer Zeit gründlich vernichtet. Ein unbewusstes kollektives Schuldgefühl treibt uns jetzt dazu, die letzten »Paradiese« auf der südlichen Halbkugel zu retten, ob die Eingeborenen wollen oder nicht. Indigene Völker und
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