Schwarzbuch WWF: Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda (German Edition)
funktioniert.« Und das Geld für den WWF, wofür ist das? Damit, so Arnesen, werde die Stelle der WWF-Lachsexpertin finanziert. Er sieht nichts Verwerfliches darin, wenn ein Konzern seine eigenen Kritiker bezahlt. Marine Harvest müsse nach dem Desaster in Chile schon im Interesse des eigenen Überlebens »nachhaltiger« werden. Dabei könne der WWF ihm helfen. In Norwegen, so Petter Arnesen sei sowieso alles schon viel besser als in den chilenischen Betrieben.
Wir fliegen mit dem Boot über das dunkelgrüne Wasser des Bokna-Fjordes. Am Ufer krachen Wasserfälle aus großer Höhe ins Meer. Alle paar Kilometer tauchen riesige Ringe im Wasser auf: Lachsfarmen. Sobald die Fütterungsanlage die Futterpellets in die Luft schleudert, springen die Lachse zu Tausenden in die Luft, um nach ihnen zu schnappen. Ihre Körper glitzern im Sonnenschein und Direktor Arnesen versichert treuherzig, seine Lachse seien durch und durch »glücklich.«
Der Kontrast zu Chile springt ins Auge: Das Wasser hier ist kaum verseucht, die Hygienebestimmungen werden eingehalten und die staatliche Aufsicht ist streng. Wer gegen die Umweltgesetze verstößt, verliert die Lizenz, die hier jedes Jahr für jede Farm neu beantragt werden muss. In Chile hat Marine Harvest die Lizenzen spottbillig erstanden: 110 Euro pro Jahr für einen Hektar Meeresfläche. Dazu kommen die niedrigen Lohnkosten der chilenischen Arbeiter: Sie betragen nur zehn Prozent der norwegischen Personalkosten.
Ein Konzern, zwei Maßstäbe. Petter Arnesen gibt zu, dass die Verführung groß war, in Chile binnen kurzer Zeit schnelle Gewinne einzufahren. »Dabei hätten wir die Katastrophe vorhersehen können.« Denn auch in Norwegen gab es vor einigen Jahren einen Ausbruch der Lachsseuche ISA. Aber da die Farmen hier weiter auseinanderliegen und die Hygienestandards höher sind, konnte das Virus nach wenigen Monaten gestoppt werden. In Chile hat es sich dagegen bis nach Süd-Magallanes ausgebreitet, auf einer Länge von 1000 Kilometern. Petter Arnesen ist persönlich mitverantwortlich, er war selbst jahrelang in Chile und hat die Lachsindustrie mit aufgebaut. »Ja«, gibt er zerknirscht zu, »leider haben wir aus der Lektion, die uns in Norwegen erteilt wurde, nicht genug gelernt.« Dann sackt er ein wenig in sich zusammen und starrt sekundenlang schweigend vor sich hin, bevor er nachschiebt: »Ich hätte es besser gefunden, wenn Sie die Fragen vor dem Interview eingereicht hätten.«
Nachdem er sich wieder gesammelt hat, verkündet er mit fester Stimme, man werde alle Probleme der Aquakultur lösen, auch das größte: Wie kann man die Lachse zu Vegetariern umerziehen? Sie sind Raubtiere und brauchen viel tierisches Eiweiß. Das Kraftfutter, das tonnenweise in die Käfige geworfen wird, besteht überwiegend aus Fischmehl und Fischöl. Ein destruktiver Kreislauf. Um ein Kilo Lachsfleisch herzustellen, werden 4-6 Kilogramm wildlebende Fische getötet und zu Mehl verarbeitet. Inzwischen wird mehr als die Hälfte des weltweiten Fischfanges in Kraftfutter für Lachse und andere Tiere verwandelt. Mastlachse verbrauchen mehr tierisches Eiweiß, als sie produzieren. Wie kann so etwas nachhaltig sein?
»Das Problem sehen wir genauso, wie der WWF es sieht«, räumt Petter Arnesen ein. »Wir machen Versuche, um den pflanzlichen Eiweißanteil im Futter zu erhöhen, zum Beispiel aus Soja.« Der Konzern sei dazu entschlossen, denn die Fischreserven der Ozeane seien »erschöpft«. Das Problem ist nur: Wenn zu wenig Fisch im Futter ist, enthält das Lachsfleisch nicht mehr genug gesunde Omega-3-Fettsäuren. So einen Lachs will der Handel nicht. Für den armen technischen Direktor ist das eine Quadratur des Kreises – aber der WWF hilft ihm aus der Patsche und erklärt das Ganze dennoch für »nachhaltig«.
Vielleicht kann man das Problem mit Gentechnik lösen? Zu diesem Thema schweigt Arnesen weise. Der Konzern denke an »so etwas« nicht; das sei dem Kunden in Europa nicht »vermittelbar «. Nicht lange nach unserer Bootstour lese ich, dass in den USA zum ersten Mal ein gentechnisch manipulierter Lachs patentiert und von der Gesundheitsbehörde zugelassen worden ist. Das Monster der Meere ist doppelt so groß wie seine Artgenossen. Ich fürchte, auch er könnte in nicht allzu ferner Zukunft das Siegel »aus nachhaltiger Aquakultur« tragen.
Schon Meilen bevor wir die chilenische Hafenstadt Talcahuano erreichen, können wir die Hauptstadt des Fischmehls riechen. Im Hafen liegen moderne
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