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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Telefonhörer und verlangte in einem Gemisch von portugiesischen und englischen Brocken, man solle irgend etwas an einem Boot regulieren. Weiß der Teufel, was für ein Landsmann das war. Ich hielt ihn für einen der etwas bedeutenderen Mitarbeiter Victor Chois, denn er hatte sogar einen eigenen Schreibtisch, wie es schien, obwohl zu diesem Typ ein Schreibtisch etwa so gut paßte wie ein Fahrrad zur Frau des Direktors der Bank of China, drüben in der Garden Road.
    Und während ich mir das Bild der radelnden Direktorsgattin vorstellte, mitten im Feierabendverkehrschaos, fiel mein Blick auf die Vorderseite des Schreibtisches, die wie eine Glasvitrine gearbeitet war – die zweite Sache, die mich ablenkte. Da stand doch der gleiche Gegenstand, den ich im Büro von Toby Chester in Hongkong gesehen hatt – dem auf großer Segeltour befindlichen Chef des Royal Hong Kong Yacht Clubs –, das Etui, um dessentwillen die Versace-Blondine so errötet war, weil mit solchen Dingern, wie sie mir umständlich klarmachte, die letzten männlichen Kannibalen von Papua ihr edelstes Körperteil, das was man bei uns in Wanchai in meinen Jugendzeiten schon respektlos die Fortpflanzungsrübe genannte hatte, vor Beschädigungen schützten. Seltsam. Kamen diese Dinger in Mode? Oder waren sie unter Seglern vielleicht ein Geheimtip als Talisman? Stammten sie vom Besuch desselben Trödelbasars irgendwo auf der fernen Insel?
    Die ledergepolsterte Tür ging auf, und Mrs. Choi stand da. Ich sah sie zum ersten Mal total überrascht. Sie stotterte, während sich die Sekretärin an ihr vorbeidrückte: »Wie ... konnten Sie wissen ... daß ich hier ...?«
    Ich konnte sie durch mein lange trainiertes gewinnendes Lächeln einigermaßen beruhigen, und durch die Bemerkung, daß es sich bei meiner Nase um ein berufsbedingt unfehlbares Instrument der Spurenfindung handelte.
    Während sie das verarbeitete, hatte ich plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Eine Kopfdrehung belehrte mich, daß der kraushaarige, dunkelhäutige Riese, der so gar nicht in ein Büro passen wollte, mich interessiert musterte, was er vorhin, als er mich zum ersten Mal sah, nicht getan hatte. Er lächelte dabei.
    Was für eine Rolle spielte er hier? War er vielleicht ein Surfspezialist? Oder einer dieser Sportmachos, die sich von einem Motorboot an einem bunten Gleitschirm hochziehen ließen? Möglicherweise schnallte er sich Flügel an und segelte über der Bucht? Genauso sah er nämlich aus. Täuschte ich mich, oder schätzte er mich tatsächlich ab? War er einfach neugierig? Oder was?
    Ich hielt dem ebenfalls recht sportlich aussehenden Mister Victor Choi die Hand hin und versicherte ihm, daß mir der Tod seines Herrn Bruders, der sich unglücklicherweise direkt neben mir vollzogen hatte, leid täte.
    Er nickte, aber die Trauer schien nicht allzu tief zu sitzen.
    Â»Ihr Herr Vater hat mich engagiert«, fühlte ich mich veranlaßt, ihn zu informieren. Er nahm es gelassen, breitete die Arme aus, und während wir an ihm vorbei in sein Büro gingen, seufzte er halblaut: »Mein Herr Vater, ach ja ...«
    Er hatte Limonade im Kühlschrank, was für ein Sportunternehmen wohl unerläßlich war. Während wir einander gegenübersaßen, erfuhr ich, daß Mrs. Choi ungeduldig geworden war und ihn auf eigene Faust besucht hatte. Der schwarze Chevrolet wurde dabei nicht erwähnt. Ich kommentierte das vorsichtshalber nicht. Natürlich war Mrs. Choi nicht verpflichtet, meine Aufsicht zu ertragen, wenn ihr das nicht paßte. Denn ich war ja nicht als ihr Leibwächter von Emerson Choi bestellt worden. Er hatte mich nur beauftragt, parallel zur Polizei eigene Ermittlungen zu führen. Daß ich mich um Mrs. Choi kümmerte, war meine eigene Entscheidung, aber wenn sie mich abzuschütteln wünschte, so würde ich das zu respektieren haben.
    Nicht daß ich mich so leicht abschütteln ließ, wenn ich das nicht wollte. Ich würde mir schon etwas einfallen lassen, um Mrs. Choi im Auge zu behalten, denn sie war schließlich eine der wichtigsten Figuren in diesem Spiel.
    Â»Ich kann Ihnen leider auch weiter nichts anderes sagen, als ich meiner Schwägerin gerade mitgeteilt habe«, meldete sich Victor Choi unaufgefordert. Er war ein durchtrainierter Mann mit kurzgeschnittenem, vollen Haar, kräftigen Händen und einem wettergegerbten

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