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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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führt, das inzwischen wohl von Touristen am meisten fotografierte Objekt Macaos.
    Eine Nase für Chancen hatte dieser smarte Jüngling mit den krausen Ohren schon, das mußte man neidlos anerkennen. Er trug immer noch sein Haar entgegen der gängigen Mode kurz geschnitten, und wohl als Kontrast zu dem, was er hier auf der Freitreppe veranstaltete, war er geradezu konservativ gekleidet, in einen hellen Sportanzug, den ein roter Schlips in seiner Einfachheit betonte: ein Gentleman, der ein halbes Dutzend Puppen tanzen ließ, buchstäblich, denn auf den Stufen standen, lagen, räkelten sich junge Mädchen in den verschiedensten Posen, arg zurechtgemacht, mit Schleifchen und Perücken, nackt bis auf drei Läppchen an den gesetzeskritischen Körperstellen, und im übrigen mit einer Art Goldbronze eingepinselt.
    Diese Oberfläche, nicht wischfest, wie sie war, stellte die zusätzliche Attraktion dar, denn ein Bewunderer nach dem anderen strich mit den Fingern genußvoll darüber hinweg und bemühte sich dann, die eingefärbte Hand möglichst lange in diesem Zustand zu bewahren. Mit Aberglauben dieser Art ist in Asien heute noch eine Menge Geld zu verdienen.
    Während das ablief, sprach Mu Erh, der Shalali-Mann, seinen erklärenden Text in ein Megaphon. Die Geschichte von der Seegöttin A Ma, der die Phantasie von vielen Generationen verblichener chinesischer Seefahrer immer wieder ein anderes Aussehen angedichtet hatte, bis auf den heutigen Tag: schlank mit flachem Körper, wie das urchinesische Schönheitsideal, oder kräftig und zupackend mit langem Haar, füllig und gemütvoll – was es eben so an Variationen des Geschöpfes Weib alles geben kann, in den männlichen Köpfen. Und – selbst der kleinste Staub Bronze, vom Körper A Mas abgewischt, am Finger haftend, verleihe außer dem Gefühl erhabener Glückseligkeit auch die Befähigung, selbst die schwierigsten Situationen im künftigen Leben spielend zu meistern, das jedenfalls verkündete Mu Erh gerade lauthals durch seine Sprechröhre.
    Ich konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken.
    Ein Bursche mit solchen Ideen würde, vermutlich auch nach der Übernahme Macaos durch China, nicht so leicht untergehen. Vielleicht ließ er dann im Canidrome eine Ausstellung von Mao-Varianten steigen. Inzwischen stellte sich den ja auch beinahe jeder anders vor.
    Ich roch ein teures Deodorant, als er mir völlig unchinesisch um den Hals fiel, weil er mich als den Mann erkannte, mit dem er vor längerer Zeit erfreulich und ertragreich zusammengearbeitet hatte. Eine halbe Stunde mußte ich die Show mit ansehen, dann hatten die A-Ma-Küken Pause.
    Unterhalb der Freitreppe standen ein paar Wohnwagen, in denen verschwanden sie, um sich wieder in Form zu bringen. Wohl auch, um neue Goldbronze aufzutragen.
    Mu Erh ließ in seinem eigenen rollenden Hauptquartier von seiner Lieblings-A-Ma, die mit ihm zusammen logierte, doch tatsächlich gelbe Limonade auffahren und vertraute mir unter freudigem Gelächter über die gelungene Überraschung an: »Sie waren es, der mich damals, als wir hinter dem Fugu-Killer her waren, auf dieses Gesöff aufmerksam machte. Ich sagte mir, ein so cleverer Detektiv kann eigentlich keinen absolut schlechten Geschmack haben, wenn es um Getränke geht, und probierte es. Ich bin dabei geblieben. Himmlisch! Was führt Sie nach Macao, Meister?«
    Er prostete mir zu, und nachdem wir getrunken hatten, sagte ich es ihm. Sein trockener Kommentar war: »Wieder Gift? Warum immer in Macao? Wir haben hier doch keine Tradition in so was!«
    Er hörte sich an, was ich inzwischen ermittelt hatte, lauter unschlüssige Einzelheiten, denen es an Zusammenhang mangelte, und nachdem ich ihm meine Vermutung eingestanden hatte, daß Victor Choi an der Sache zumindest beteiligt war, wiegte er den Kopf und bemerkte an seinem halbgeleerten Limonadenglas vorbei: »Heikle Geschichte. Wußten Sie, daß der betreffende Herr ziemlich eng mit der Panda-Gang verbunden ist?«
    Â»Panda-Gang?« Ich hatte keine Ahnung, was das war. Nur daß der Panda ein possierliches Tier ist, dieser schwarz-weiß gefleckte Bambusfresser.
    Mu Erh eröffnete mir: »Sie haben sich ihn zum Vereinstier gewählt. Leute, die, kurz gesagt, Gold schieben. Von dort, wo es geringen Wert hat, dorthin, wo der Kurs hoch steht. Das wechselt. Sie haben ein ausgefeiltes System, das

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