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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Kaffee erstaunlicherweise auch Spiegeleier zubereiten kann, aber ich behielt das für mich, denn man soll eine Frau nicht stolzer machen als sie ohnehin schon ist. Und Pipi litt nicht im entferntesten an Minderwertigkeitsgefühlen – das wäre ihr in ihrem Job als Rezeptionsdame im Excelsior auch schlecht bekommen. Die Leute, die dort verkehren, machen einer gutgewachsenen Lady zuweilen Angebote, die sich von denen, die in Wanchai üblich sind, bestenfalls im Sprachschliff unterscheiden. Dabei gibts in diesem feinen Kasten Kultur im Überfluß – neuerdings sogar TV-Schirme auf den Toiletten. Aber die helfen anscheinend eben auch nicht gegen Rüpel.
    Bobby durchkreuzte mein Konzept gekonnt, er machte Pipi eines dieser Komplimente, von denen jede Frau genau weiß, wie sie gemeint sind, die sie aber trotzdem so willig entgegennimmt, wie eine Blume die Biene.
    Er sagte: »Du siehst blendend aus – als habe es diesen ganzen nächtlichen Rummel nicht gegeben! War es schlimm im Excelsior ?«
    Pipi blühte auf, während sie ihm davon berichtete, daß der Kasten oben an der Gloucester Road bis auf die Toilettensitze ausgebucht gewesen war (trotz TV-Live-Übertragung), weil er so günstig lag, neben dem World Trade Center, gegenüber der Mittagskanone, einer der ältesten Reliquien Hongkongs, auch der Yacht-Club war in Sichtweite, und die ganze Causeway Bay sei voller kleiner Boote mit Raketenwerfern gewesen, dazu habe auf dem Dach des Island Center ein Orchester gespielt. Dazwischen verkündete der Sprecher, was Prinz Charles gerade tat, der drüben im Naval Dockyard auf seiner Yacht residierte.
    Â»... und über allem die Feuerräder am Himmel, die sich entfaltenden Blumenbukette, das Zischen und Pfeifen, das tiefe Orgeln, der blaue Qualm ... schade, daß es das alles eben nur einmal gibt ...«
    Â»Amen«, sagte ich boshaft, und dann machte ich der Schwärmerei ein Ende, indem ich beiläufig ein paar Zahlen wiederholte, die ich vor dem Einschlafen noch aus dem Radio gehört hatte, die der Betrunkenen, die man in Hospitäler hatte bringen müssen, die der Verkehrsunfälle, der Verbrennungen mit Feuerwerkskörpern ...
    Â»Im Victoria Park hat man ein totes Baby gefunden, während Mister Tung, unser neuer Regierer, gerade in der Festrede die sonnige Zukunft Hongkongs schilderte. Hat man schon den Mörder ...?«
    Bobby schüttelte bekümmert den Kopf und wandte sich an Pipi: »Ist er nicht ein bedauernswerter Zyniker? An einem solchen Festtag nimmt er von der überwältigenden Zeitgeschichte nichts weiter wahr als die Besoffenen und die Blechschäden ...!«
    Â»Und das tote Baby!« ergänzte ich. Pipi schob mir demonstrativ eine Portion Spiegelei hin, wobei sie unverschämt grinste, was Bobby nicht entging, denn er legte gleich nach: »Ich kann mir vorstellen, wie schwer es ist, mit diesem Herrn zusammen zu leben. Meine Hochachtung!«
    Pipi äußerte sich dezent: »Er ist nicht immer so. Bloß – von Festivitäten dieser Art, wie wir sie gerade hatten, hält er eben nichts. Er mag keine salbadernden Politiker, auch nicht, wenn sie Prinzen sind. Und am Feuerwerk hat ihn der Krach gestört ...«
    Ich bekannte zwischen zwei Bissen Spiegelei: »Und der Qualm. Außerdem habe ich gedacht, für die zweistellige Millionensumme, die der Radau gekostet hat, wären gut und gern tausend Leute, die drüben in Kowloon in Gitterkäfigen hausen, mit anständigen Wohnungen zu versehen gewesen. Aber das ist nur eine dieser unqualifizierten Randbemerkungen eines notorischen Querulanten ... Wobei kann ich dir helfen, Bobby? Oder ist das ein protokollarischer Höflichkeitsbesuch, nachdem du jetzt nicht mehr unter königlicher Aufsicht stehst ...?«
    Nun grinste er. Der allgemeine Frieden war übrigens nicht etwa gestört, wenn Sie das vermuten sollten – nein, wenn wir uns eine Weile nicht gesehen hatten, pflegten wir uns meist erst einmal auf diese Art aufzuziehen. Der Ernst des Lebens holte uns ohnehin schnell genug wieder ein.
    Bobby ließ sich Zeit. Er genoß seinen Kaffee, wischte mit einem Stück Brot, das wir etwas aus der chinesischen Art schlagenden Leute stets zu Spiegeleiern aßen, von seinem Teller (der auch als Faible für fremde Tischsitten zu werten ist, bitte) den letzten Rest Ei ab, bevor er sich herbeiließ, die Andeutung zu machen, die Pipi veranlaßte, sich

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