Schwarze Blüte, sanfter Tod
mit der Bemerkung, sie mache inzwischen Toilette, zurückzuziehen.
Er sagte nämlich: »Eigentlich widerstrebt es mir, einer Dame durch das, was ich dir erzählen will, diesen schönen Morgen zu verderben ...«
So kannten wir ihn. »Laà uns mal allein ...« hätte er nicht über die Lippen gebracht.
»Ist dir die Pacific Voice ein Begriff?« wollte er von mir wissen, als wir allein im Dampf seiner nach dem Frühstück angebrannten Bastos saÃen.
Ich erwiderte: »Du traust mir zu, daà ich ein solches Dreckblatt lese?«
Er knurrte: »Ich frage nicht, ob du darin liest. Ich will wissen, ob du überhaupt weiÃt, was das ist.«
»Gut, ich kenne sie.«
»Kennst du auch den Namen Yueh Po-chai?«
»Ist das der Chefredakteur?«
»Er war es. Gleichzeitig der Verleger.«
Als er sagte war, klingelte mein Alarm. Vorsichtshalber bemerkte ich: »Man hat mir einmal ein Exemplar geschickt, zur Ansicht. Ich sollte sie bestellen. Aber was ich da las, hat mir soviel Kopfschütteln verursacht, daà ich Mühe hatte, mit dem Aspirin nachzukommen. Was ist mit dem Wisch?«
Er holte tief Luft. »Der Chefredakteur ist tot.«
»Ich wünsche ihm, daà er ins Paradies der modernen Medienschmierer einzieht«, sagte ich, aber ich ahnte, daà da von Bobby gleich etwas kommen würde, das mit eben diesem Verstorbenen zusammenhing.
Auch eine Menge Leute, die die Pacific Voice nicht lasen, hatten von Yueh Po-chai gehört, denn er war eine der schillernden Figuren der Hongkonger Polit-Szene.
Seitdem bekannt geworden war, daà sich die Dame Thatcher mit dem kleinen alten Herrn in Peking darüber geeinigt hatte, die Kolonie wieder an das Mutterland zurückzugeben, und das war immerhin vor dreizehn Jahren gewesen, gab es die Pacific Voice des politisierenden Herrn Yueh, der ursprünglich einmal Psychiater mit gutgehender Praxis am FuÃe des Peaks gewesen war. Woher er das Grundkapital für dieses Blättchen genommen hatte, blieb sein Geheimnis, das aber niemand eigentlich knacken wollte â ein scharfzüngiges Radaublatt mehr, das fiel in der Kolonie nicht so sehr auf, warum dann noch nach der Geburtsurkunde fragen?
Mister Yueh hatte â soviel war mir aus der seinerzeit publizierten Lebensgeschichte noch erinnerlich â als junger Mann die Volksrepublik verlassen, wie viele andere auch. Seine Eltern waren in Shanghai geblieben, und da sie beide als Universitätsdozenten arbeiteten, fielen sie einem Greiferkommando während der Kulturrevolution in die Hände. Man schickte sie in den Norden, wo sich ihre Spur verlor. Der Vater arbeitete als Handlanger beim Bau einer Kaserne, die Mutter als Hirtin auf einer Staatsfarm. Jeder in Hongkong hatte zu der Zeit, als die Absurditäten der Kulturrevolution in der Presse noch Staub machten, diese Geschichte lesen können, wie eine Menge andere auch. Der älteste Sohn, Po-chai, hatte sie in seinem Blatt über mehrere Folgen abgedruckt, nachdem sein jüngerer Bruder ihm die inzwischen bekannt gewordenen Fakten mitgeteilt hatte. Er war in China verblieben, damals, als Po-chai nach Hongkong floh. Er hatte sich während der turbulenten Jahre des Massenwahnsinns von seinen Eltern distanziert, als sie während einer der sogenannten Kampfversammlungen das Prädikat »Laufende Hunde des Kapitalismus« verliehen bekamen. War daraufhin selbst in eine Kolonne der Greifer eingereiht worden, hatte aber, nachdem wieder etwas Vernunft eingezogen war, öffentlich erklärt, er wäre auf einem Irrweg gewesen. Danach ging er auÃer Landes. In London etablierte er sich als Antiquitätenhändler, der bevorzugt Chinoiserie vertrieb â von der als Reliquie aufbewahrten, glattpolierten Hirnschale eines tibetischen Mönches bis zum echten Tschü Bai-hung-Rollbild mit galoppierendem Pferd. Die Pacific Voice hatte eine Zeitlang noch Anzeigen seines Londoner Geschäfts gedruckt.
»Bis in die letzte Zeit«, bestätigte Bobby Hsiang. »Im Juni vor acht Jahren, als es in Peking vor dem Tien An Men die Demonstrationen gab, veröffentlichte die Pacific Voice eine groÃgedruckte Aufforderung des kleinen Bruders zum Boykott der chinesischen Regierung. Und nachdem die mit ihren Panzern die Protestierer überfahren lieÃ, bot er in einer Anzeige gegen hohe Summen die blutigen Hemden von Getöteten an ...«
»Ein cleverer Geschäftsmann mit exzellentem
Weitere Kostenlose Bücher