Schwarze Blüte, sanfter Tod
mir lag, die Decke über den hübschen Kopf gezogen, aus Angst vor den blauhaarigen Hunden. »Es ist Bobby!«
Mit einem Ruck setzte sie sich auf. Ihr Gesicht zeigte Verblüffung.
»Bobby Hsiang?«
»Derselbe. Wirfst du ihm die Leiter runter, oder muà ich ...?«
Sie hopste von der Matte und veranlaÃte mich, wie sie so ihren Hintern an mir vorbei schwenkte, für ein paar Sekunden Bobby Hsiang zu verfluchen, weil er wieder einmal zur unrechten Zeit kam. Im übrigen war er mein Freund, seit den Tagen unserer Kindheit in Wanchai. Auch bei der Polizei waren wir zusammen gewesen, bis ich den Entschluà faÃte, als Privatermittler mein Glück zu versuchen, ohne den Segen der Krone sozusagen. Und eine alte Freundschaft lebt lange, so sagt man nicht nur, so ist es.
»Mach nicht diesen unzivilisierten Lärm!« schrie ich mit aller Kraft, um sicher zu sein, daà Bobby mich hörte. Denn Pipi war schon ins Nebengelaà verschwunden, das wir Kombüse nannten, weil es da eine Kaffeemaschine gab und eine Mikrowelle. Bobby liebte nach langen Teetrinkerjahren jetzt Kaffee, und Pipi war selbst am frühen Morgen, unsanft geweckt, schon die perfekte Gastgeberin.
Im Aufgang stand zähe Luft. Ich konnte mich täuschen, aber ich roch immer noch den Gestank des Jubiläumsfeuerwerks aus der Nacht der Ãbernahme der Kolonie. Zwanzig einheimische Millionäre hatten sich zusammengetan, um es auszurichten, jeder bezahlte eine Tonne Raketen, und der Höllenlärm, den sie veranstaltet hatten, würde mir noch eine Weile in den Ohren dröhnen. UnvergeÃliche Farbenspiele, immerhin ...
»Du solltest öfters mal in besserer Gesellschaft verkehren«, riet ich Bobby Hsiang, während er aus seinem Wassertaxi über die Strickleiter auf meine Dschunke herüberkletterte.
Aberdeen lag drüben noch ziemlich still da. Vermutlich schliefen sich die Leute vom Fest aus, wie ich das auch vorgehabt hatte. Aber auf dem Wasser der Bucht gab es schon zwischen den unzähligen hier ankernden Booten und Dschunken den üblichen Morgenverkehr. Ein paar Motorboote flitzten weiter drauÃen herum. Das Wasser, über dem ein leichter Dunst waberte, stank wie immer, es war auch so gelbbraun wie es in der Kolonialzeit gewesen war. Die Masten der Fahrzeuge schwankten im gleichen Rhythmus, die Babys quäkten wie sonst auch, und selbst die Regenwolken, die sich vom Pazifik hereinschoben, sahen nicht wesentlich drohender aus als früher.
Erst als das Wassertaxi, das Bobby gebracht hatte, davonschoÃ, bemerkte ich den Unrat, der überall auf dem Wasser schaukelte: leere Bierbüchsen, Blumen, bunte Papierfetzen, Zigarettenpackungen, Schokoladenhüllen und Feuerwerksreste, vom ausgebrannten Raketenrohr über die Holzstiele der Flugkörper bis zu Ketten von Crackern, die nicht gezündet hatten, was bei Made in Hongkong öfters mal passierte. Es würde lange dauern, bis wir das alles wieder los waren ...
»In der besseren Gesellschaft«, setzte ich meine Ansprache an Bobby fort, »gibt es diesen oder jenen Gentleman, der dir sagen könnte, daà man einen anderen Gentleman nicht zu nachtschlafender Zeit aufschreckt!«
Mein Freund bleckte nur seine gelben Zähne und knurrte etwas Unverständliches. Er begrüÃte mich, indem er mir eine Schachtel Bastos entgegenhielt, die schwarzen Stinker, die, wenn es nach der Reklame ging, nur knallharte Männer rauchten. Ich wehrte erschrocken ab. Den Qualm zu ertragen, den Bobby verbreitete, bedeutete auch zu anderen Tageszeiten schon eine Anstrengung.
Ich überlegte. Wenn mein Freund so unangemeldet bei mir auftauchte, hatte er garantiert ein Anliegen. Und da er Chef der Sektion Mord in der ehemals königlich-britischen und jetzt volkschinesischen Polizei Hongkongs war, konnte es sich nur um ein Vorkommnis handeln, bei dem er für mich, den privaten Ermittler, eine Chance sah. Vielleicht auch eine unangenehme Sache, die er gern auf mich abzuwälzen gedachte. Das war schon öfters vorgekommen, und meist hatte es mir sogar Einnahmen gebracht. Was konnte es diesmal sein?
»Bist du vernehmungsfähig?« wollte er wissen, bevor er zur Sache kam.
Ich murmelte etwas von Kaffee, und dann stiegen wir abwärts. Da roch es schon etwas besser, nämlich nach Pipis Frühstückskünsten. Ich fand wieder einmal Gelegenheit zu der Feststellung, daà sie auÃer dem total unchinesischen Getränk
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