Schwarze Blüte, sanfter Tod

nachtschlafenes Ohr: »Kriech aus dem Bau! Tung Wah Hospital. Ich bin in einer Stunde dort und warte!«
    Schnell verlangte ich zu wissen: »Was ist passiert?«
    Er gab zurück: »Wir haben einen Bodyguard mit lädiertem Schädel, einen bewußtlosen Fahrer und einen Vermißten.«
    Â»Ai Wu?«
    Er bestätigte das in seiner kurzangebundenen Art und forderte mich auf, keine Zeit zu vertrödeln, das könnte ich noch in den Staus bis nach Victoria hinauf. Dann knackte es im Telefon. Pipi erkundigte sich schlaftrunken: »Was ist schon wieder mit diesem Komödianten?«
    Aber sie wollte das wohl eigentlich gar nicht wissen, denn sie drehte sich nach einem Blick auf die Uhr gleich wieder auf die andere Seite und schlief weiter.
    Bis Pok Fu Lam rollte der Verkehr einigermaßen. Aber wie immer morgens war der Zentraldistrikt die Hölle, und ich quälte mich verzweifelt zwischen Omnibussen, Trams, Obstkarren, Autos aller Art und alten Omas, die Enkel zur Schule führten, hindurch, bis ich endlich in die Hospital Road einbiegen konnte.
    Â»Warum hier?«
    Bobby Hsiang, zwischen den Lippen den Stummel einer Bastos , quetschte daran vorbei: »Die Sanitäter dachten, er kann was am Kopf haben. Hier gibts augenblicklich den besten Kopfchirurgen der ganzen Kolonie. Verzeihung, der ganzen Sonderverwaltungszone. Also haben sie ihn hierher geschafft.«
    Â»Und? Hat er was am Kopf?«
    Â»Du wirst staunen, er spricht schon wieder. Wenn die Hongkonger Polizei für weiter nichts berühmt ist, dann aber für ihre Betonschädel. Komm ...«
    Der Bodyguard hatte tatsächlich schon wieder die Augen offen und konnte uns einigermaßen genau schildern, was vorgegangen war. Während er das für mich wiederholte, unterhielt sich Bobby mit dem Arzt.
    Â»Es war schon dunkel. Die Beleuchter schalteten die letzten Scheinwerfer ab. Ein paar Einstellungen hatten am Abend gespielt. Die Produktion stellte Ai Wu ein Auto, das sollte ihn und mich heimfahren. Es muß einer den Fahrer überfallen und betäubt haben. Ich ließ Mister Ai Wu hinten einsteigen. Als ich vorn einstieg – Pistole vom vermeintlichen Fahrer in die Seite! Und hinten stieg jemand zu. Dann krachte mir was auf den Schädel. Aus.«
    Bobby war hinzugekommen.
    Er sagte zu dem Bodyguard beruhigend: »Der Arzt sagt, es ist kein Schädelbruch. Nur eine Erschütterung. Also – still liegen. Keine Aufregung. Der richtige Fahrer liegt nebenan. Ähnlich dran wie Sie ...«
    Zu mir gewandt: »Die ältesten Maschen ziehen doch immer noch am sichersten. Wo suchen wir jetzt Ai Wu?«
    Â»Ich bin es, der ihn zu suchen hat!« erinnerte ich meinen Freund. Aber der schüttelte energisch den Kopf und klärte mich auf: »Wir haben außer einem Überfall einen verletzten Polizisten und einen gekidnappten Mann – das bringt unweigerlich die Polizei ins Spiel!«
    Â»Keinen Mord!«
    Â»Noch nicht. Das heißt, ich persönlich werde bis es neue Entwicklungen gibt nicht mit der Sache befaßt sein. Wo willst du anfangen zu suchen?«
    Ich wußte es nicht. Als ich ihn nach dem Auto fragte, winkte er ab: »Unten am Fährenterminal gefunden worden. Keine Spuren.«
    Wir standen vor dem Hospital. Bobby brannte den Rest der Bastos an und machte ein Gesicht, wie eine wandelnde Durchblutungsstörung. Er war gereizt, weil es keinen Punkt gab, an dem er ansetzen konnte.
    Eine Weile betrachtete ich die ankommenden und abfahrenden Krankenwagen. Über dem Hospitalgebäude das große, noch erleuchtete Rote Kreuz. In dem Augenblick, in dem ich es etwas versonnen ansah, wurde die Nachtbeleuchtung ausgeschaltet. Wie die Scheinwerfer am Drehort, von denen der Bodyguard gesprochen hatte. Und genau in diesem Augenblick fiel mir ein, ohne daß ich eigentlich darüber nachgegrübelt hätte, wo ich etwas über den Kings Park gehört hatte, das Gelände mit dieser städtischen Nervenklinik, in der die Schauspielerin lag, deren Rolle Wei Wen-tang übernommen hatte: bei der Vorstellung von Liebe gegen Tyrannei war es gewesen! Die Frau mit dem Baby, die neben mir saß, hatte davon gesprochen!
    Was fing man damit an? Eugene Hsu – ob er nun mehr wußte oder nicht – hatte sich wohl schon etwas dabei gedacht, als er mir den Tip über das Taxi nach Kings Park gab. Hinfahren? Umsehen? Aber Nervenkliniken sind Einrichtungen, in denen fremde Besucher gar nicht so gern