Schwarze Blüte, sanfter Tod
mündliche Prüfung abgenommen, worauf sie ihn an einer Ampel mit dem Ruf: »Bye, bye, Monica!« aus dem Auto schmissen.
Es reichte mir. AuÃerdem begann es dunkel zu werden. Ich erwischte noch eine Fähre, und als ich am Excelsior ankam, hatte Pipi gerade SchichtschluÃ. Müde wie ein Netzfischer raffte ich mich trotzdem auf und erfüllte ihr einen Wunsch, über den ich mich einigermaÃen wunderte, weil sie sonst kein so groÃer Geflügelfan warâ heute wollte sie unbedingt in den Peking Garden , Hauptstadt-Ente essen, wie sie es ausdrückte. Auch einer dieser neuen Ticks, mit denen die Eingemeindung ins Mutterland uns gestraft hatte.
Die raffiniert gewürzte, nach dem uralten Rezept aus den besten Tagen des Kaiserreiches zubereitete Delikatesse war in der letzten Zeit bei uns in Mode gekommen wie die Witze über den amerikanischen Präsidenten. Aber seitdem jede mickrige Kneipe im letzten Winkel von Wanchai das berühmte Bratvieh anbot, hatten sich die Unterschiede herausgestellt, die es, wie man mir sagte, auch in der Hauptstadt im Norden gab. Und davon profitierte das Peking Garden â es nahm für sich in Anspruch, die Tschajo-Ja-Tse als einziges Lokal auÃerhalb der Mauern Pekings stilecht zu braten.
Nicht nur das, wie man auf der Speisekarte lesen konnte. Die Tiere, die da serviert werden, kommen aus einer ganz besonderen Zucht. Ihre Fütterung ist eine Wissenschaft. Und ein streng gehütetes Geheimnis auÃerdem. Daà sie nicht älter geworden sind als drei Monate, wird auf Wunsch vom Chef des Restaurants schriftlich beeidet.
Wir lieÃen uns in einer der Nischen nieder. Das Lokal, ganz in Rot gehalten, war dem in Peking nachgebaut. Sogar die Durchgänge waren rund. An der Decke baumelten Palastlaternen, die Kellner glichen vorzeitlichen Kriegern in Berufskleidung. Selbst die Blumenvasen sahen aus einiger Entfernung ziemlich nach Ming aus.
Doch damit nicht genug: der Inhaber der Kneipe, der jeden Gast persönlich begrüÃte, betrieb mitten im Hauptraum einen dieser angeblich stilechten, wenngleich wenig umweltfreundlichen alten Küchenkamine, in deren Rauchabzug die Ente hing, bis sie genau das Aroma angenommen hatte, das sie â ebenfalls angeblich â mit der echten Pekinger so verwechselbar machte wie Zwillinge.
Ich war noch nicht hier gewesen und zeigte mich gebührend beeindruckt. Es gab das Lokal noch nicht sehr lange, obgleich â Enten wurden auch früher schon überall gebraten, aber eben nicht mit soviel Aufwand! Pipi wuÃte aus Erzählungen ausländischer Gourmets, die unfairerweise im Excelsior nächtigten und anderswo aÃen, beispielsweise, daà die vorher mit Honig und einer Menge streng geheimer Gewürze behandelte, gebratröstete Haut des Opfertieres der delikateste Teil der Speise war.
Weil man dem Geschmack von Gourmets meist unbesehen vertrauen kann, langte ich bei der zu mundgerechten Stücken zerkleinerten, appetitlich gebräunten Haut schon so entschlossen zu, daà es eigentlich für eine Mahlzeit gereicht hätte. Aber es wurde dann doch ein Mahl, das annähernd zwei Stunden dauerte.
Der Kellner hatte uns den stets raren Shaoshing-Wein dazu empfohlen, und es schien tatsächlich echter zu sein, man merkte es nicht nur am Preis, er versetzte uns tatsächlich zusammen mit der Zauberente in eine Stimmung, die uns allen Ernstes annehmen lieÃ, Essen sei die wichtigste Beschäftigung der Menschheit, GenuÃ, Laster und Wissenschaft zugleich, wie es selbst Lao Tse nicht besser hätte erkennen können. Oder doch?
Pipi belehrte mich gerade beim Ananasdessert, daà der gute Alte ja nun doch da oben, wo die kleinen Rädchen der Welterkenntnis sich drehten, einen gewissen Vorsprung mir gegenüber gehabt hatte, worauf wir lachend unsere Gläser leerten. Und dann jaulte das verdammte Handy in meiner Jackentasche.
»Wo bist du?« wollte Bobby Hsiang wissen.
Pipi, die gar nicht ahnen konnte, ob es nicht etwa eine frohe Botschaft war, die da kam, verdrehte die Augen und murmelte etwas von nicht existentem Privatleben, während ich Bobby Bescheid gab: »Im Peking Garden . Alexandra House.«
»Ente mit Pipi, ja?«
»Du weiÃt, wobei du uns störst!«
»Tut mir leid«, sagte er trocken. »Ich wollte dir nur einen nützlichen Tip geben. Wetten, daà du die Ente stehen läÃt?«
Er ahnte nicht, daà ich sie schon hinter mir
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