Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
Vom Netzwerk:
gleich. Und deshalb gibt es diese ebenso eigenartig anmutende wie praktische Methode, dem Gesprächspartner auf der Handfläche aufzumalen, was man meint. Seit mehr Brüder aus dem großen Reich im Norden zu uns ehemaligen Kolonialuntertanen nach Hongkong kommen, sieht man dergleichen bei uns öfter als früher. Es schien für diese Schule des Schlagens und Tretens geradezu charakteristisch zu sein. Was nichts anderes hieß, als daß hier Lehrer aus dem Mutterland arbeiteten, die Mandarin sprachen, wie es in ihrer Heimat üblich war, und die unser Kantonesisch ebenso wenig beherrschten wie das Allerwelts-Englisch, mit dem man sich ja in Hongkong gleichermaßen verständigen konnte.
    Ich erinnerte mich an die Bemerkung, die Elvis Mou gemacht hatte, der Hersteller echt aussehender Opiumpfeifen, unten auf seinem Boot, als er von seiner Tätigkeit hier erzählte. Über Lehrer aus dem Mutterland, die ihm nicht ganz faltenfrei vorgekommen waren. Und dann, während in der Halle hinter der magischen Glasscheibe das betrieben wurde, was die einen für Sport hielten und die anderen für einen guten Gelderwerb, überlegte ich, weshalb ich eigentlich hier herumhockte und mir Gedanken über Selbstverteidigungs-Freaks machte: In den paar Tagen, seit mir Onkel Stan seinen generösen Scheck übergab, war Mrs. Ronaldo gefunden worden. Als Tote zwar, aber mein Auftrag war damit erledigt. Nie zuvor hatte ich mit weniger Mühe ein derart üppiges Honorar eingestrichen. Onkel Stan hatte mich nicht anschließend noch dazu engagiert, den vermeintlichen Mörder seiner Nichte zu finden. Das überließ er wohl doch lieber der Polizei, weil er wußte, daß die bei Mord von sich aus ermitteln würde. Also konnte ich mich doch eigentlich irgendwo an den Strand legen und mir die Sonne auf den Bauch scheinen lassen, oder?
    Während derlei Gedanken in meinem Kopf umherschwirrten, fiel mir ein, daß ich Elvis Mou anrufen könnte. Warum nicht mit ihm in einer der nächstliegenden Kneipen ein Bier trinken? So schnell würde ich nicht wieder in seiner Gegend zu tun haben, also war ein Abschiedstrunk zu vertreten. Kurzentschlossen griff ich nach meinem Handy und tippte die Nummer ein, die ich vom Zettel ablas. Unten erschien gerade ein neuer Lehrer. Aber er begann nicht das Training mit Kursanten, er unterhielt sich nur kurz mit einem der anderen Lehrer und verschwand dann in einem über der Halle gelegenen Glasverschlag, aus dem ein Mann, von dem man nur Kopf und Hals sah, geruhsam einen Blick auf das Treiben der Kursanten warf – wie ich annahm, der Chef des Unternehmens, Tiger Wong .
    Â»Hallo«, kam die Stimme von Elvis aus meinem Handy, »hier ist die Firma Mou, Ihr fachmännisch verläßlicher Partner, wenn es um die Anschaffung echter Antiquitäten von bleibendem Wert geht! Was können wir für Sie tun?«
    Ich verstellte meine Stimme: »Sie werden einhunderttausend Hongkong-Dollar, schön in einen Koffer verpackt, vor dem Eingang des Tin Hao Tempels, auf der Seite der Public Square Street ablegen, daneben stehen bleiben, wie wenn sie auf ein Taxi warten, und das Taxi wird kommen ...«
    Ich hatte ihn unterschätzt. Er setzte lachend fort: »Und dann werde ich den Koffer in das Taxi schmeißen, und Lim Tok wird damit davonfahren, er wird mein Boot nicht versenken ...! Bist wieder in der Gegend, wie?«
    Â»Komm rüber«, forderte ich ihn auf. »Ich stehe mit meinem Toyota an Tiger Wongs Etablissement und habe Lust auf ein Bier mit dir!«
    Er sagte sofort zu: »Auf die alten Zeiten? Bin unterwegs. Laß mir eine halbe Stunde für die Anreise!«
    Nach einer Weile brach ich auf. Der freundlichen jungen Dame im Parterre winkte ich zu: »Komme bald mal wieder vorbei!« Dann war ich draußen.
    Ich stieg in mein Auto, das etwas abseits stand, und fuhr in eine der Parklücken, die sich inzwischen gegenüber von Tiger Wong s Studio aufgetan hatten.
    Eine Viertelstunde mochte vergangen sein, da geschah etwas, das, wie ich erst später begriff, eine völlige Veränderung meines Denkens bewirkte. Auf der anderen Straßenseite fuhr ein kleines Schmuckstück vor: Miß Silvas koreanisches Coupé! Von ein paar Obstverkäufern und Zigarettenhändlern auf dem Bürgersteig beifällig betrachtet, stieg die Lady aus. Was sage ich: Sie stieg nicht einfach aus – sie erschien! Eine der bemerkenswertesten

Weitere Kostenlose Bücher