Schwarze Blüte, sanfter Tod
ein Ticket hin: »Zwanzig. Eine Stunde.«
»Eeh ...«, machte ich überrascht, »ich wollte eigentlich nicht gleich das Haus kaufen ...«
Nun grinste sie. Ich bemerkte es trotz des Ponys. »Schon klar, Sie wollen erst mal gucken! Der Aufgang ist da drüben!«
Sie deutete zu einer Treppe aus Steinstufen, die aufwärts führte. »Wenn Sie länger als eine Stunde zusehen wollen â die Bedienung verkauft auÃer Getränken auch Verlängerungstickets.«
Ich schob ihr durch das Loch in der Glasscheibe zwei Zehner in die geöffnete Hand und nahm das Papierchen. In meiner Unwissenheit hatte ich mir nicht vorstellen können, daà Tiger Wong nicht nur mit seinem Lehrprogramm Geld machte, sondern daà er selbst für das bloÃe Ansehen des Trainings kassierte.
Am Ende der Treppe lag ein langer, mäÃig beleuchteter Raum, der an einer Seite völlig verglast war. Wie mich ein Schild belehrte, mit einseitig verspiegeltem Material, ähnlich dem, das die Polizei in ihren Identifikationsräumen verwendete. So konnten Zuschauer aus der Trainingshalle heraus nicht wahrgenommen werden. Es gab an der Scheibe Sitzgelegenheiten. Ein Servicemädchen, im üblichen Mini, mit weiÃer Schürze, winkte mir und dirigierte mich zu einem Platz, von dem aus ich, bequem sitzend, nach unten blicken konnte, wo der Kursusbetrieb lief. Sie fragte mich, ob es Cola oder Bier sein sollte. Fügte verschämt an: »Wir haben auch Tee ...«
Ich entschied mich für Cola. Und dann beobachtete ich erst einmal, was da unten vorging. Mit mir zusammen taten das etwa ein halbes Dutzend Leute, von denen sich schwer sagen lieÃ, ob es sich bei ihnen um Liebhaber dieser Kampfsportart handelte oder ob sie einfach aus Langeweile hier saÃen, um den grauhaarigen Nachmittag endgültig totzuschlagen. Jedenfalls sorgten sie dafür, daà ich nicht so leicht für einen Schnüffler gehalten werden konnte. Nachdem das Mädchen meine Cola gebracht hatte, widmete ich mich dem, was die vier Lehrer mit ihren Kursanten in der Halle im Erdgeschoà anstellten.
Eine Stunde später hatte ich einigermaÃen begriffen, daà hier eine Art Körperertüchtigung lief, verbunden mit einer Belehrung über die Verwendung eigener GliedmaÃen zur Tötung von unbequem gewordenen Mitmenschen. Das sah alles sehr sportlich aus, von der Ausstattung der riesigen Halle bis zu den schmissigen Kostümen. Besonders die der Damen waren so gearbeitet, daà die Reize, vorausgesetzt sie waren vorhanden, vorteilhaft hervorgehoben wurden. Juristisch war gegen diesen Kampfsport nichts einzuwenden. Es gab Dutzende, wenn nicht Hunderte solcher Studios bei uns.
Hin und wieder sah man einen Schlag oder einen Tritt, der den Gegner sehr leicht in den Sarg bringen konnte, wäre er ernsthaft ausgeführt. Aber insgesamt wurde mit der Vorstellung, daà man eine ganz besondere Art der Selbstverteidigung beigebracht bekam, eher die Eitelkeit von Leuten bedient, die sich gern einbildeten, es bedrohe sie jemand.
Und schlieÃlich brachte das Hopsen und Schlagen dem Veranstalter ja Geld ein! Ein Geschäft im Rahmen der Gesetze. Eiferer hatten oft genug versucht, dagegen Sturm zu laufen. Aber ebensogut hätte man verlangen können, Schwitzbäder und Diätkuren zu ächten, Managerkurse oder Striptease-Lehrgänge. Keine Chance etwa für ein Verbot!
Interessant waren die vier Lehrer, die sich da unten abmühten, den meist noch ziemlich ungelenken Figuren beizubringen, wie man sich so bewegte, daà Muskeln und Sehnen möglichst erst nach der Trainingsstunde zu schmerzen begannen. Sie taten das nicht ohne einen gewissen Erfolg, wie ich beobachten konnte. Aber was interessant war â sie hatten eine drollige Art der Verständigung miteinander. Ein Fremder hätte sich verwundert gefragt, weshalb sie ihre Kursanten immer wieder einmal zu sich riefen und ihnen dann ihre linke Handfläche hinhielten, auf die sie mit dem Zeigefinger der rechten Hand Schriftzeichen malten. Ein Vorgang, aus dem ein Chinese sofort erkennt, daà hier Bürger aus sehr verschiedenen Provinzen des riesigen Reiches miteinander kommunizieren. Schriftlich sozusagen. Weil sie den jeweils von ihnen gesprochenen Dialekt nicht verstehen. Zumal es nicht selten kein Dialekt mehr ist, sondern bereits eine eigene Sprache. So unterschiedlich etwa wie Deutsch und Schweizerisch. Nur die Schriftzeichen sind eben
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