Schwarze Blüte, sanfter Tod
ihm erklärt, es gibt keine Grundbuchurkunden auf dem Wasser. Keine Hausnummern.«
»Und dann?«
»Wollte er in die Cameron Street.« Er machte die gleiche Handbewegung, wie ich sie vorher beobachtet hatte. In diese Richtung war Liao Tu davongefahren. Plötzlich wuÃte ich, wohin!
Es ging vielleicht um Minuten. Ich lief zu meinem Toyota, der an seinem gewohnten Platz stand. Der Himmel hatte ein Einsehen gehabt und den Regen versiegen lassen. Im Laufen griff ich schon nach meinem Handy, und als ich mich in den Fahrersitz quetschte, meldete sich der mit dem Schicksal gestrauchelter Menschen befaÃte Bewährungshelfer Wu, der mein âºBüroâ¹ in der Cameron Street hütete.
Er schoà sofort seine Neuigkeit auf mich ab, daà der kleine Bo sich in der Jugendkolonie prächtig fühle, daà er dank einer Vereinbarung mit dem Herrn Journalisten sogar etwas Geld verdienen könne, und ...
Ich stoppte ihn: »Gut, gut! Aufpassen jetzt. Genau das machen, was ich sage. Es wird ein Mann kommen. Klein, drahtig, Mutterland. Wird sich nach mir erkundigen. Und du muÃt ihm unbedingt folgendes gezielt verkaufen. Zusammen mit zeitfüllendem Quatsch meinetwegen, aber glaubhaft: Also â ich bin unterwegs. Wichtiger Fall. Auftragsmorde. Mehrzahl. Bin ganz nahe an der Lösung. Habe elegante Dame ausfindig gemacht, die drinsteckt und mir alles beichten will, spätestens morgen. Will dafür unbelangt bleiben. Straffreiheit gegen Auspacken. Und Entgegenkommen auf der Matte, weil sie gemerkt hat, sie gefällt mir. Bin ganz nahe dran ... Danach würde ich mich gern dem Auftrag dieses Besuchers widmen, wenn er einen hat. Klar? Und alles schön farbig erzählen, wie eine Lüge vor Gericht! Nicht etwa durchblicken lassen, daà es gezielt ist ...!«
Er unterbrach mich sanft: »Eeeh ... Verzeihung, Madame, ich würde Sie herzlich bitten, mich einen Augenblick zu entschuldigen, ich bekomme gerade Besuch. Möchte nicht unhöflich sein und ihn warten lassen ... Was die Angelegenheit betrifft, werde ich sie zu Ihrer vollen Zufriedenheit erledigen ...«
Ich wuÃte Bescheid: Liao Tu stand vor ihm. Gut, daà ich keine Sekunde verloren hatte!
Eine Stunde später traf ich mich mit Bobby Hsiang im Hibiskus zum Mittagessen. Noch waren die drei Busladungen Touristen, die meiner Mutter mit ihrem Restaurant ein mehr als erträgliches Einkommen bescherten, nicht da. Wir hatten eine Nische in dem ruhigen Lokal belegt. Knabberten Nüsse, während meine Mutter uns die Vorzüge einer neuen Wildreissorte anpries, bis wir sie zu den verschiedenen Platten mit allem möglichen Fleisch, Gemüsen, Fisch und Krabben bestellten. Dann widmeten wir uns den delikaten Vorspeisen, und dabei informierte ich meinen alten Freund zuerst: »Für mich ist der Auftrag Ronaldo eigentlich erledigt. Was ich jetzt noch mache, ist Hobby. Was dagegen?«
Er bià in eine gefüllte Pflaume, und als er nicht mehr befürchten muÃte, sie aus dem Mund zu verlieren, schüttelte er den Kopf.
»Ich bin hervorragend bezahlt worden ...« Diesmal nickte er. Ich kannte meinen alten Kumpan. Er wartete darauf, daà ich mit dem herausrückte, was mir wirklich am Herzen lag. Also sagte ich ihm zunächst einmal, was ich bislang für mich behalten hatte, ohne zu erwähnen, daà es ja eigentlich das nicht ganz klar zu definierende Interesse an Mià Silva war, was mich bei dem Fall hielt. Erzählte ihm von meiner Beobachtung ihres Besuches in Tiger Wongs Karatestudio am Tage von dessen Ermordung und ihrer angeblichen Unkenntnis oder der etwas eigenartig anmutenden Erinnerungslücke, was den Herrn Liao Tu betraf.
Ich erinnerte ihn, wo er diesen Liao Tu finden könnte, und daà unser gemeinsamer Freund Elvis Mou ihn für »nicht ganz geruchlos« hielt. Auch die Garage Tiger Wongs rief ich ihm ins Gedächtnis zurück. Erwähnte den Ãlfleck und meine nächtliche Untersuchung von Mià Silvas Cabrio. Den Notizzettel mit dem vom Gaspedal gewischten Ãlrest überreichte ich ihm mit einer Geste, die an den schwedischen König bei der Vergabe des Nobelpreises erinnern sollte. Ich bekam sie nicht ganz so feierlich hin, aber Bobby war sichtlich beeindruckt, als er das beschmierte Zettelchen in der Plastetüte einsteckte. Hörte aber aufmerksam zu, als ich ihm zuletzt noch schilderte, was heute morgen am Kai in Aberdeen gelaufen war, und danach in
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