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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Aber mein Mißtrauen wuchs. Gewisse Details ordneten sich auf eine verblüffende Weise zu einem Gesamtbild. Es zeigte die schöne Miß Silva, die mich so ungemein fasziniert hatte, wie ich zugeben mußte, mit einem Fragezeichen auf der Stirn.
    Warum war sie mir gegenüber nicht ehrlich gewesen? Oder hatte sie tatsächlich nur aus Flüchtigkeit Verschiedenes nicht erwähnt? Vergessen? Warum hielt sie ihre Bekanntschaft mit dem Anrufer Liao Tu zurück? Und was hatte sie ausgerechnet um die Zeit, als Tiger Wong seine letzten Stunden lebte, in seiner Sporthalle gesucht? Warum hatte sie nicht den Eingang benutzt und war auf das Garagentor zugegangen? Nachdem sie sich mit dem Anrufer an den sie sich angeblich nicht erinnerte, auf dem Bürgersteig unterhalten hatte?
    Unter derlei Gedanken schwenkte ich die Trommel meines Revolvers mehrmals aus, um sicher zu sein, daß nichts den Mechanismus hemmte. So ungern ich Schießeisen benutze, weil man von toten Gegenspielern nichts mehr erfährt, was der Aufklärung eines Sachverhalts dienen kann, so gut ist es doch, eins dabei zu haben, wenn es sich um jemanden handelte, der Leuten einfach mit der Hand die Gurgel knackte. Oder das Genick ...
    An Land angekommen, hatte ich unter das nächste Dach zu flüchten, weil einer dieser prasselnden Regenschauer niederging, die Hongkong einen guten Teil seiner Touristenfreundlichkeit kosten. Für mich hingegen erwies sich der warme Guß überraschend als günstig. Wie ich so unter der Zeltplane der Küche stand, die in unserer Gegend die besten Hamburger fabriziert, die einzig annehmbare nichtchinesische Kurzspeise überhaupt, entdeckte ich unten am Kai plötzlich ein Auto, das Schwierigkeiten hatte, sich in eine Lücke zwischen den geparkten Fahrzeugen einzureihen. Es war ein älterer Ford, etwas groß für die Platzverhältnisse hier, und erst recht für den Fahrer, der nach dem letztlich geglückten Versuch dann ausstieg. Ich wurde hellwach, denn dieser kleine, drahtige junge Mann, der da jetzt durch den Regen zu der überdachten Anlegestelle der Wassertaxis ging und einem der Skipper dort Fragen stellte, war der Karatelehrer und Ausfahrer von Frühlingsrollen Liao Tu!
    Â»He, Mister!« erinnerte mich der Brater daran, daß mein Big Mac fertig war. Ich nahm ihn aus seiner Hand und biß hinein. Aber das, was mir sonst zwar nicht als Delikatesse vorkommt, was ich aber zwischendurch ganz gern mal esse, besonders wenn das Frühstück ausfiel, hinterließ heute kaum die Spur einer Erinnerung in meinem Gaumen, so sehr war ich damit beschäftigt, den kleinen Mann da unten zu beobachten.
    Im Laufe seines Wortwechsels mit dem Skipper deutete der hinaus auf das Wasser, wo die Sampans und Dschunken schaukelten. Es war eine vage Geste. Ich biß in meinen Mac. Überlegte. Was wollte ausgerechnet dieser Mann hier? Zwischen seiner Wohngegend in Hung Hom und Aberdeen lagen ein halbes Dutzend Kilometer Luftlinie und auf den Straßen etwa zweiundachtzig Staus! Von der Fahrzeit abgesehen hieß das, es gab dazwischen mindestens hundert Küchen, die so etwas wie Frühlingsrollen ins Haus lieferten. Unwahrscheinlich, daß er diese Art von chinesischer Grundverpflegung gerade hier irgendwohin lieferte. Und erst gar nicht davon zu reden, daß Liao Tu mit einem Ford wohl ohnehin kein Essen ausfahren würde.
    Zur Abwechslung deutete der Wassertaxifahrer einmal nicht auf das Wasser hinaus, sondern zum Land hin. Und gleich darauf war die Unterhaltung beendet. Der kleine Karatelehrer, der sich Liao Tu nannte oder wirklich so hieß, legte offenbar keinen Wert mehr auf weitere Auskünfte. Er überquerte mit eingezogenem Kopf, weil es immer noch regnete, schnell wieder die Straße, stieg in den Ford, wendete ihn und fuhr davon. In die Richtung, in die der Wassertaximann zuletzt gedeutet hatte.
    Den letzten Rest von meinem Mac schluckte ich im Gehen herunter. Ich kannte den von Liao Tu Angesprochenen. Gelegentlich fuhr er mich zu meiner Dschunke. Als ich bei ihm ankam, hoffte er auf eine Fuhre, aber ich wollte nur wissen, wonach der Fremde ihn gefragt hatte.
    Der Fahrer grinste. »Wollte wissen, wie man jemanden findet, der da auf dem Wasser wohnt!«
    Â»Hat er gesagt, wen er sucht?«
    Â»Negativ«, antwortete der Fahrer im Stil des neumodernen Lakonismus und grinste weiter.
    Als er merkte, daß ich auf eine Ergänzung wartete, fügte er an: »Habe

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