Schwarze Blüte, sanfter Tod
mich, erst gar nicht den Versuch zu machen, meinen Besuch als zufällig erscheinen zu lassen. Trotzdem fragte ich Charly, wie der Verkauf sich hier in Kowloon anlieÃ. Er meinte, es könnte besser sein. Und er schüttete mir gleich seine Bedenken gegen die Vereinigung mit dem Mutterland ins Bier: »Was soll das werden? Bis wir diesen Fähnchenschwenkern beigebracht haben, daà es angenehmer ist, Hamburger zu essen als Mao zu lesen â das kann ein Menschenleben dauern!«
Ich beruhigte ihn: »Sie haben inzwischen selbst in Peking schon McDonalds, so schlimm wird das voraussichtlich nicht werden. Wenigstens bei den meisten. Mit den Hamburgern jedenfalls ...«
Der Elektriker übergab ihm ein soeben aufgebackenes Brötchen: »Die neue Einstellung!«
Charly prüfte es zuerst mit den Fingern, bià dann hinein, und nach einer Weile beauftragte er den erleichtert wirkenden Elektriker: »Genau so lassen! Die Einstellung stimmt! Keine Sekunde verändern!«
Als der Mann sich entfernt hatte, kam ich zur Sache, zumal mich Charly ohnehin erwartungsvoll ansah, weil er ahnte, daà es sich nicht um einen reine Höflichkeitsbesuch handelte. Ich sagte zwischen einer Scheibe Rindfleisch und einer Scheibe Zwiebel: »Emerson Choi.«
Er lachte. »Ach, der Alte! Ist die Steuer hinter ihm her?«
»Ich laufe nicht für die Steuer«, belehrte ich Charly und erzählte ihm, was sich da abgespielt hatte. Charly hörte sich das gelassen an, am Schluà sagte er: »Von dem Shanghaier Knaben wuÃte ich nichts. Der in Macao laust Touristen. Reiche Kerle, die segeln lernen wollen. Oder Gleitschirmfliegen. Ziemlich ausgeschlafener Typ, wenn du weiÃt, was ich meine.«
Ich wuÃte. »Und der Alte?«
Charly süffelte an seinem Bier, bewegte leicht die Schultern und meinte: »Zwanzig Millionen ungefähr in Amerika. Mit dem Rest macht er hier weiter. Solange die Brüder aus dem groÃen Reich ihn lassen.«
»Ich meine, zu welcher Gruppe er gehört.«
Ich sagte nicht Triade. Das klang stets ein wenig nach Mord mit Baseballschläger, und Leute wie Choi hatten da andere Methoden. Aber Charly begriff schon, was ich meinte. Wiegte den Kopf und knurrte: »Saam-yi-luk. Hast du das schon vergessen? Wie lange bist du in der Branche?« Es klang ironisch. Saam-yi-luk hieà »Drei-zwei-sechs«. Das war die Bezeichnung eines Familientongs, der, wie ich mich erinnerte, in der Vergangenheit recht vorsichtig vorgegangen war. Viel Geld aus verschiedenen Unternehmungen, keine nachweisbaren Gewalttaten, aber beste Verbindungen zu anderen Tongs, ebenso zu seriösen Herren der hochkarätigen Art in den Behörden. Daà Emerson Choi eine Art Ãbervater war, war schon aus den Akten in der Polizeidirektion ersichtlich gewesen, als ich noch Streife ging. Aber wir hatten nie einen Grund gehabt, einzuschreiten. Gegen das, was man in Fachkreisen »das stille Wirken« eines solchen Typs nannte, gab es kein Gesetz.
Charly lachte: »Die wirken so still, daà man es in den Ohren laut rauschen hört!« Dann kümmerte er sich um seinen Bratrost.
Es gab noch keine Kunden. Um diese Zeit hatten die meisten Leute das Frühstück noch nicht ganz vergessen und das Mittagessen war noch nicht nahe genug. Charly stellte seine Bratanlage auf Bereitschaft ein, kontrollierte den Kühlschrank und die Isolierkiste, in der er die Gemüsebeilagen aufbewahrte. Die Mädchen, die er als Helferinnen beschäftigte, würden erst am späten Nachmittag kommen, denn da begann der Hauptbetrieb. Von der Zeit, zu der die Büros schlossen, bis weit in die Nacht hinein, gab es keine Pause.
Mir war eingefallen, daà es im Zusammenhang mit der Saam-yi-luk vor einiger Zeit ein Gerücht über angebliche Verbindungen zum Royal Hongkong Yacht Club gegeben hatte. Als ich Charly danach fragte, eröffnete er mir ohne viel Umschweife: »Toko, wo lebst du? Tobias Chester wäre längst Türsteher in einem Massagesalon, wenn er nicht im Auftrage der Saam-yi-luk die Moneten des Yacht Clubs managen würde!«
Das war es, was ich vergessen hatte! Toby Chester. Ein gebürtiger Australier, der als Vertrauensmann des 3-2-6-Tongs im hochherrschaftlichen Yacht Club eine Position hatte, die vermutlich nur Altersschwäche beenden konnte.
Sooft die Polizei versucht hatte, ihm einen Betrug nachzuweisen oder die Bestechung eines Beamten â stets war die Sache
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