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Schwarze Blüte, sanfter Tod

Schwarze Blüte, sanfter Tod

Titel: Schwarze Blüte, sanfter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Kühlschrank, wo Toby offenbar Souvenirs von seinen Fahrten und Trophäen aufbewahrte. Ich stand auf und ging näher.
    Hinter dem Glas gab es Korallen in verschiedenen Farben, vergoldete Hibiskus blüten, wie man sie in Singapore bekommt, versteinerte Seeanemonen, präparierte Seeigel, das Skelett eines kleinen Haifisches, auf eine schwarze Platte geklebt, der präparierte Stachelschwanz eines Rochens, die Nasenwaffe eines Sägefisches und Pokale für gewonnene Regatten.
    In einer Ecke lag eine spitz zulaufende Röhre, etwas kürzer als mein Unterarm, innen leer, aus Holz scheinbar, einer hellen Sorte, womöglich aber auch aus dem Schaft einer Dickgrassorte, dem Bambus ähnlich – oder war das ein Meerestier? Eine Frucht?
    Ich hörte die Blondine neben mir kichern. Sie hielt mir das Glas mit der grünen Limonade hin. Ich sah, daß sie ihr Kichern zu unterdrücken versuchte, daß sie ihr Gesicht abwandte, als schäme sie sich.
    Vorsicht, sagte ich mir. Vielleicht hat eines der Souvenire mit ihr zu tun. Gemeinsames Tauchen. Nacht auf hoher See. Wind in den Segeln. Wer konnte ahnen, was es da für Erinnerungen gab! Als wir wieder saßen, deutete ich, weil mir die Sache keine Ruhe ließ, trotzdem auf diese eigenartige Röhre und gestand der Dame, daß ich alles außer diesem Ding identifizieren könnte. Was es denn zum Teufel sei.
    Der Erfolg war verblüffend. Sie wandte ihr Gesicht ab, das sich rötete, was zum Blond ihrer Haare nicht so recht passen wollte. Dabei murmelte sie so, daß ich es gerade noch verstand: »Ach, hören Sie doch auf!«
    Wie brachte ich ihr nur bei, daß ich sie keinesfalls in Verlegenheit bringen wollte?
    Ich stotterte schließlich eine Entschuldigung nach der anderen und erreichte so, daß sie mich wenigstens wieder ansah und sich überzeugen konnte, daß es in meinem Gesicht keine Zeichen von Heimtücke gab.
    Â»Sie wissen wirklich nicht, was das ist?«
    Â»Ich habe keine Ahnung. Gehört es zu einer Segelausrüstung?«
    Sie schüttelte sich vor Lachen. Aber sie fing sich schnell wieder, es schien ihr peinlich zu sein, daß sie lachen mußte.
    Â»Sie waren nie im Südpazifik?«
    Ich antwortete wahrheitsgemäß: »Weiter als bis Tahiti bin ich nicht gekommen, leider.«
    Â»Korallenmeer?«
    Ich schüttelte den Kopf. Und da nahm sie allen Mut zusammen und erklärte mir: »Stammt aus Neu Guinea. Mister Chester brachte es von einer Kreuzfahrt im Bismarck Archipel mit. Er begleitete ein Mitglied des Clubs dorthin, in einer Investitionssache, soweit ich weiß. Die Herrschaften machten dann noch einen Abstecher ins Korallenmeer.«
    Â»Aha«, machte ich. Aber der Zweck dieser Röhre blieb mir weiter verborgen, und die Blondine merkte das. Sie zauberte aus einer Tasche ihres Segeltuchrockes ein Tüchlein hervor, mit dem sie sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln tupfte, so als wolle sie andeuten, jetzt käme eine höchst ernste Angelegenheit zur Sprache.
    Â»Das ist ein Futteral.«
    Â»Aha«, machte ich wieder. Wofür das Futteral sein sollte, ahnte ich nicht. Zur Not, überlegte ich, konnte man darin einen dieser modernen, zusammenklappbaren Mini-Regenschirme unterbringen. Aber nur zur Not, es würde eng werden. Als ich die Vermutung aussprach, mußte die Dame sich wieder Mühe geben, nicht laut loszulachen. Doch dann beschloß sie offenbar, dem Spiel ein Ende zu machen und stellte mich zur Rede: »Kennen Sie Kannibalen, Mister Lim Tok?«
    Es gelang mir, einigermaßen ernst zu antworten: »Nicht, daß es mir erinnerlich wäre. Aber – die Eßgewohnheiten mancher Menschen sind schon undurchschaubar ...«
    Sie machte eine ungeduldige Handbewegung. »Ich meine richtige Kannibalen. Leute, die andere Leute aufessen. Unten dort, in Papua. Neu Guinea.«
    Ich unterdrückte gerade noch ein Aha. Es hätte unweigerlich ironisch geklungen. Sagte statt dessen: »Nein, da fehlen mir die Kenntnisse, total.«
    Sie fuhr fort: »Mister Chester fand dieses Ding dort. Ein Souvenir sozusagen.«
    Â»Futteral sagten Sie – für eine Waffe?«
    Ich sah Verzweiflung in ihrem Gesicht und hätte nicht sagen können, woher sie kam. Aber sie klärte mich endlich resolut auf: »Ich spreche nicht gern darüber, Mister Lim Tok, aber dieses Futteral dient zum Schutz des Körperteils, das den Mann von der Frau unterscheidet ...

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