Schwarze Blüte, sanfter Tod
wurde das Gelände zu einem Markt, auf dem man vom gestohlenen Diamantring bis zur leicht beschädigten Eistüte so gut wie alles kaufen konnte, und das stets umringt von einer unübersehbaren, quirligen Menge Besucher, die im Schein von eleganten Spotlights oder pfeifenden Karbidlampen durcheinanderwuselten.
War einmal! Inzwischen ist das alles auf ein paar traurige Reste zusammengeschrumpft, weil unsere Autoritäten mit der ausdrücklichen Billigung Pekings auf Lantau zu Beton ins Meer kippen, damit eine gigantische Zufahrt für den neuen Flughafen entsteht. Diesem grandiosen Unternehmen ist Poor Manâs Night Club, eine der erhebendsten Attraktionen Hongkongs, im Wege gewesen. â
Wer von den Händlern etwas auf sich hielt, hat seinen Marktstand von dort nach Kowloon verlegt. An den nördlichen Rand der Jordan Street, wo die Temple Street abgeht. Da hat immer schon der Temple Markt existiert. In der Gegend wird zwar ebenfalls gebaut, an einer Rollbahn, aber einstweilen läuft das Geschäft noch ungestört. Hochseebarsche neben Chinakohl, Zigaretten neben Teemischungen gegen vorzeitiges Altern, Präservative mit bunten Mickymäusen neben Füllhaltern Marke Parker, nachgemacht, Jadeohrringe neben Hamburgern. Für letztere ist â zumindest an seinem Stand â Charly Soong zuständig.
Ich hatte nicht weit zu fahren, der Markt liegt nur etwa zwei Kilometer südlich der Stelle, an der Emerson Choi sein Domizil hat. Aber es war heller Tag, und Charly pflegt das Hauptgeschäft in den frühen Nachtstunden zu machen, wenn das Klima erträglicher geworden ist und die Leute sich entschlieÃen, einen Bummel zu unternehmen.
Trotzdem â ich traf ihn an. Er stritt sich gerade mit dem Elektriker, der das Gerät reparieren sollte, in dem er die Brötchen für die »Hot Dogs American Style« aufzubacken pflegte.
Der Elektriker hielt es für in Ordnung, aber Charly keifte ihn immer wieder an, die von ihm eingestellte Zeit wäre falsch, die Brötchen kämen mit zu hart gebackener Kruste heraus, und das liebten vielleicht die Eskimos, aber nicht die Billigtouristen in Hongkong. Sie verlangen, daà ihnen beim ZubeiÃen nicht gleich die Zähne aus der Kinnlade brechen.
Er sah mich an, als ob ich schuld an dieser Misere wäre: »Nicht jeder kann sich bei diesen Zauberkünstlern ein neues Mahlwerk klempnern lassen, bei den heutigen Preisen! Die verlangen ja schon fünfzig Dollar, wenn sie dich nur mal die Zunge rausstrecken lassen! Und Leute, die bei mir Hot Dogs essen, haben kein überflüssiges Geld, das sie Zahnklempnern in den Hut schmeiÃen könnten! Ist doch so, oder?«
Er hatte schon recht, Hot-Dog-Brötchen müssen ebenso zart und weich sein, wie das darin eingeklemmte Würstchen, trotzdem an der Oberfläche leicht knusprig, aber eben nur leicht.
»Wie ein Mädchen, du Idiot!« erläuterte Charly dem Elektriker eindringlich. »Schön stramm, mit straffer Haut, aber nicht mit Schorf drauf!«
Gleich darauf drehte er sich zu mir um und flehte mich an: »Nun sag du doch diesem Pfuscher auch mal, daà ein Hot Dog nicht für den Spaà der Zahnärzte gemacht ist, die den Leuten neue Kronen auf die BeiÃer kleben wollen für bunte Dollars!«
Ich beeilte mich, ihm zu versichern, daà ich felsenfest an seiner Seite stand und auf der Seite derer, die chronisch dünn mit Hongkong-Dollars dran sind. Wobei ich sekundenlang das Gefühl hatte, als drücke der Scheck von Mister Choi strafend auf mein Herz.
»Hast du schon was hei�« versuchte ich, Charly erst einmal von seiner Schimpferei abzulenken.
Er vertröstete mich: »Vormittags ist das hier flau. Mal sehen, ob die Schaschlyks braun sind. Habe nur zwei auf dem Feuer, die sind nicht so gefragt. Balkan ist nicht in, Bier?«
Ich willigte in ein St. Miguel ein, und wir lieÃen den Elektriker weiterwursteln, während wir uns in den Verschlag zurückzogen, den Charly sich hier aufgebaut hatte, für plötzliche Regenschauer.
Wenn es in der Kolonie jemanden gab, der Leute kannte und eine Menge von ihnen wuÃte, dann war es Charly. Deshalb war er für mich auch in vielen Fällen schon eine Quelle verläÃlicher Auskünfte gewesen.
Er holte das Stäbchen mit dem aufgespieÃten Fleisch, den Speckscheiben, Gurken, Tomaten und servierte es mir auf einem Pappteller. Es war noch heiÃ. Ich entschloÃ
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