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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
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wußte nicht, wie lange diese Stille gewährt haben mochte. Er fand sich inmitten wallender Nebel wieder, die Kamera in den Armen haltend. Er schob das Kinn vor, um das Wachstum von Initiative zu fördern. Das Kinn schmerzte. Er schob es stärker vor, und es schmerzte stärker. Unversehens überkam ihn der Drang, über irgend etwas nachzudenken, sich an etwas überaus Wichtiges zu erinnern. Es fiel ihm nichts ein.
      Die Nebel wichen, ein verbleibender Rest erwies sich als zerstäubte Kokosmilch. Es war nicht nur das Kinn, das schmerzte, Girons ganzer Schädel brummte. Aber dann war es gar nicht der Schädel, sondern das Summen überanstrengter Elektronik. Der Schrecken riß ihn vollends in die Welt zurück. Die nautischen Manöver… Die CD-Lücke… Die Passage durch diese schmale Furt… Wieviel Zeit war vergangen?
      Die elektronischen Programme der Fremdsonden trafen auf seine kobolzschießende Maschine. Der Aufwand an Kalkulation, um diese Programme für die sich stupid überschlagende Maschine in sinnvolle Boosterschübe umzumünzen, wuchs irrsinnig an. Viertausend Kilometer zwischen C und D schrumpften zur Breite eines Nadelöhrs.
      Giron sprang auf, Feuer zündete in seinen Gliedern. Oben brüllten einige Lautsprecher. Schrie man seinen Namen dort? Er wußte selbst, was er zu tun hatte. Er war der Stratege. Ein Stratege aus purem Blei. Er stemmte die viel zu vielen Kilopond die Sprossen hinauf, leeren Hirns, nur rote Tasten vor Augen, an die es zu gelangen galt.
      In diesen unmöglichen Augenblicken überfiel ihn die Idee: das Oben, das Unten… Heilsamer Sturz dieser Idole… Rütteln am Hergebrachten… Nichts darf sich jemals etablieren… Die Anatomie dieser Atmosphäre… Das verdammte, bewährte, allzu simple Klischee der klassischen Hypothesen, wie die Gasschichten übereinanderzuliegen hatten… Stürzt das Oben herab! Hebt das Unten! Die Trichter müssen schwarz sein. Sie müssen! In dieser Sekunde sah er genau, wo die hergebrachte Ordnung umzukehren war, damit die Rechnung stimmte. Die Ordnung war einfach umzukehren! Eine atmosphärische Inversion. Die Saturner würden eine ewige Fata Morgana sehen…
      Tränen sprangen aus seinen Augen. Tränen leiblichen Schmerzes diesmal, in den Knien schien Feuer zu brennen. Er hastete die Sprossen hinauf, hielt die Kamera und fluchte. Er fluchte über die Armseligkeit seiner Phantasie, die nur fade Verwünschungen erfand. Und er war ein wenig glücklich.
    Zuweilen vervollkommnete Giron seinen Bericht durch eine Art Epilog, durch Glossen und Einsichten im Nachgang des Geschehens, und er erinnerte sich deren schärfer als mancher Passagen des Geschehens selbst.
      Er verwies gern auf die Wertschätzung, die jedermann den Taktikern entgegenbringen möge. Die CD-Lücke, das Nadelöhr, sei längst hinter ihr gelegen, als die Maschine endlich abgelassen habe von den unseligen Purzelbäumen, erklärte er mit unernstem Glitzern aus schmalgekniffenen Augen. Welcher Stratege hätte so Unglaubliches vermocht?
      Fragte jemand nach den schwarzen Trichtern, sagte er: »Ach, die?« und lachte. »Die Wörter, mit denen sich die erklären lassen, wurden erst Jahre später erfunden. Das ganze Modell war zu klein für die Maschen des Siebes der Zeit. Nur eben…«
      Oder er erwähnte jenen Einfall, der sich unzeitig und während er rechnete in sein Hirn gebohrt hatte wie ein heimlicher Parasit: Auch den menschlichen Charakterschwächen entsprechen subtile, leibliche Strukturen. Würde es jemals Sensoren geben, vom Patienten zu verschluckende Bohnen, die zu senden und aufzuschreiben vermochten, wo sich Ursachen dafür verbergen und wie an sie heranzukommen sei?
      Endlich die Aufnahmen, die er mit der Kamera schoß, fast zweihundert Bilder mit sechs Farbauszügen je Objektiv, eine Menge verpulverten Silbers. »Sie waren herzlich schlecht«, gab er zu, »und sie versetzten hernach kaum etwas in Bewegung.« Aber auch eine Blindaufnahme sei nötig gewesen nach dem Wechseln des Films. Die trug er immer bei sich und wies sie gern vor. Nicht daß auf dem verschlissenen Bildchen Besonderes zu sehen war, Girons Gesicht strahlte das Wesentliche zurück: Die Erinnerung an das wunderbare Meer der Perlen im Gegenlicht, als die Maschine, diesmal von Süden kommend, die CD-Lücke zum zweitenmal durchstieß.

    11.

    Die Montage der Wasserleitung schien sich zu einer Art Volksfest zu entwickeln. Lampoo hatte überraschend alle seine Einwände zurückgezogen, man hatte

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