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Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
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hatte zuviel Adrenalin im Blut, und an den Sitz gefesselt, mangelte es ihm an Möglichkeiten, aufwallende Energien umzusetzen. Und dann hatte er die dumme Empfindung, als stiegen Tränen in ihm auf. Immer wenn irgend etwas allzu bewegend wurde, wandelten ihn diese sentimentalen Tränen an. Nun, sollten sie. Diesmal war er allein. Und diesmal hatte er Zeit. Er hatte mehr als eine Stunde Zeit, nur um sich großartig zu fühlen.
      Giron wandte sich wieder dem Bullauge zu. Die Maschine schwebte hoch über einem Meer von Licht und Farben, über einem Ozean, der aus nichts als Perlen zusammengesetzt war. Wenn er die Augen nahe an das Fenster brachte, vermochte er die Grenzenlosigkeit dieses Meeres zu ermessen. Ein Widerspruch? Weit voraus in der Richtung des Fluges und weithin rückwärts wölbte sich der Rand des Meeres aufwärts wie eine Schale. Er kannte diesen täuschenden Effekt. Jenseits der Ränder sah er Streifen sternloser Leere. Die Grenzenlosigkeit lag viel mehr in der ungeheuren, unerschöpflichen Menge der Perlen, die dort unten ausgebreitet lag.
      Er wußte, daß es sich in Wahrheit um Eiskugeln handelte. Diejenigen, die seine Netzhaut aus dieser Entfernung als einzelne Körper aufzulösen vermochte, schätzte er als wenigstens einen oder sogar mehrere Meter groß. Rosa- und honigfarbenes Licht war über sie ausgegossen, von innen her schimmerte durch das Glaseis mildes Blau mineralischer Kerne. Die Kugeln warfen keinen Schatten. Er erinnerte sich einer Episode, die ihm während eines Aufenthaltes in Kalkutta widerfahren war. Man hatte ihm zwei Schalen gezeigt, eine mit indischen Perlen gefüllt, die andere mit glänzenden Stahlkugeln, wie man sie für Lager verwendet. Welche der Kugeln er für schöner halte? Er hatte sich für die Perlen entschieden und erinnerte sich des Lächelns einer Frau und einer dunkelgefärbten, irritierenden Stimme. »Der Stahl ist Ihnen zu rund und zu genau, nicht wahr? Ich verrate Ihnen das Geheimnis der Perlen: Sie werfen keinen Schatten.«
      Giron ergab sich der Illusion. In der Ferne glaubte er bloßes Licht fließen zu sehen wie einen Strom. Das war richtig. Die Eismassen eilten dort seiner eigenen Geschwindigkeit voraus.
      Jenseits des Stromes glomm Saturn selbst. Es sah so aus, als schwimme das Gestirn im Ozean der Eispartikel und tauche nur zur Hälfte aus ihm auf. Eine seltsame, schattige, schwimmende Insel. Die sichtbare Hälfte des Gestirns war von farbigen Bändern umschlungen, hundert Nuancen von Gelb, Orange, Braun und Blau. Die Grenzen der Bänder durchdrangen einander in gefältelten Linien. Giron sah Saturn vom Tag her. Durstig sog er das Bild in sich ein, er fühlte sich leicht und wunderbar, es schien ihn trunken zu machen, er hatte noch immer Bedarf an Großzügigkeit und starken Gefühlen.
      Aber dann erwachte das Feld der Leuchtdioden an der Front des Rechners, Lumineszenz ordnete sich für Sekunden zu moireartigen Mustern, eine neue Phase des Fluges kündigte sich an. Giron rückte im Sessel, Andruck erwartend. Ein kontrollierender Blick aus dem Fenster: Genau mit der ersten Empfindung von Schwere begannen die Partikel des Ringes draußen zu fließen. Die Maschine wandte sich Saturn zu, um ihren Äquatororbit auf den Radius der Lücke zwischen Ring C und D zu verkürzen. Dort würde sie in einer Art verdrehten Loopings auf eine Bahn einschwenken, die den Äquator verließ, um, senkrecht zu dieser klassischen Umlaufbahn, der Richtung eines Meridians zu folgen. Die Maschine hatte danach bei jeder Runde um Saturn die CD-Lücke zweimal zu durchstoßen. Ein riskantes Manöver? Es war ein mögliches Manöver, seitdem nautische Sonden den Kurs modellierten. Sie lieferten die Matrizen der Rechenoperationen laufend an Girons Maschine, sobald diese auf Nullkurs lag. Widersprüche in der Theorie der magnetischen Felder und der Strahlungszonen erzwangen Messungen auf einer derartigen Umlaufbahn. Hypothetische Daten der Bank waren durch reale zu ersetzen.
      Saturn rückte näher, nahm zwei Drittel und dann den gesamten Raum ein, den Giron zu überblicken vermochte. Weiße Punkte wurden sichtbar, danach schwarze. Schwarze? Wieso? Trichter von Zyklonen? Nein. Die mußten rot sein und hell vom inneren Leuchten metallischen Wasserstoffs.
      Umkehr des Andrucks. Irgend etwas polterte im Heck, und in einem blechernen Einschub schienen Erbsen auf und nieder zu springen. Dann ragte das Gewölk der Atmosphäre auf wie eine senkrechte Wand, nahe, wie es noch

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