Schwarze Blumen auf Barnard Drei
fortwährend aufgenommene Wärme werde durch eine sehr kleine Fläche am Ende des Konus wieder heraustransportiert. Orlow begann, die Behauptung mit Displays und Rechnerausdrucken zu belegen. Giron sah sich mit einer solchen Menge von Zahlen überschüttet, daß er darin versacken würde. Er fragte: »Du hast Bilder dazu?«
»Bilder?« fragte Orlow zurück, ein wenig verlegen. »Manche mögen die. Manche mit einer ewig kindlichen Art zu denken.« Einer der Schirme flammte auf. Knallige Computerfarben in einer schönen, konzentrischen Figur, die Idee eines Musters, maßvolle Unregelmäßigkeit, Äquidensiten eines Milchstraßensystems. »Die Isothermen der abstrahlenden Fläche, zweihundert zu eins. Weiß entspricht dreihundertzehn K.«
»Ach«, sagte Giron, »ein energiereiches Ungleichgewicht. Wozu?«
Orlow schaute Giron ins Gesicht, in das Gemisch von Blässe, Sommersprossen und Arglosigkeit. Er nahm den Blick rasch zurück, als sei ihm peinlich, wonach Giron gefragt hatte. »Man wird fünfzig Jahre brauchen für eine Antwort«, sagte er.
»Das Ding muß Arbeit leisten«, brachte Giron eilfertig heraus, mit dem unguten Gefühl, daß davon schon die Rede gewesen war. »Woher stammt die Energie?«
Wie er es befürchtet hatte, drückte Orlows Miene nichts als Unverständnis aus. »Gewiß, Salman. Du sagtest selbst, woher sie stammt.«
»Ich?«
»Das Ding ist schwarz. Es ist so schwarz wie die schwarzen Blumen.«
»Gut«, gab Giron zu, »du gehst davon aus, daß die schwarzen Blumen Energie absorbieren. Sie schlucken das ganze sichtbare Spektrum, eine Menge mehr als unsere grünen Pflanzen. Deshalb sind sie schwarz.« Aber er hatte Einwände. Orlow lasse Analogieschlüsse allzu hurtig umherhüpfen, wenn er das Kühlmaschinchen mit den hypothetischen Leistungen der schwarzen Blumen ausstatte.
Sie redeten eine Weile hin und her, bis Giron begriff, daß die zur Rede stehende Maschine längst als Organ der schwarzen Blumen identifiziert worden war, als irgend etwas Herabgefallenes, Verlorenes, Abgestoßenes, das man zuerst auf Anas Fotos in den Blumen wiederfand, hernach durch beweiskräftigeren Augenschein.
Giron war sprachlos vor Überraschung. Er wußte nicht, in welche der vielen möglich werdenden Richtungen er weiterdenken sollte, und verdrängte seine Hilflosigkeit, indem er Orlows Höhle nach dem Versuchsfeld ausspähte, mit dem all die thermischen Messungen zuwege gebracht worden waren. Er hatte einen gewissen Entwurf im Kopf, wie dieses Feld aussehen mochte, konnte aber nichts finden, was dieser Vorstellung entsprach. »Es ist haarsträubend, wie wir in dieser Welt da draußen herumstochern!« platzte er plötzlich heraus.
Orlows zusammengewachsene Brauen zuckten, und auch der Bart regte sich unter verdrücktem Lachen. Giron sah, wie amüsiert ihn der Mann musterte. Orlow schwenkte unversehens in eine ganz andere Richtung: »Informationen über das, was du ›draußen‹ nennst, setzen Fragen voraus. Und Frager. Die einen lieben diese Fragen, andere aber bevorzugen Antworten…«
Giron spürte förmlich, während Orlow redete, wie das »wir« auseinanderbrach. Für Jermakow war die Zeit der Fragen vorbei, seit es den Plan gab. Der Leutnant hatte keine Wahl. Pläne, sobald sie da waren, forderten Antworten, nichts als Antworten… Aber irgend etwas, das Wichtigste, glaubte er, blieb zu bedenken übrig.
»Das ist das Dilemma«, sagte Orlow, »daß es immer Fragen gibt. Es gibt sie immer. Andrej steckt in einer fortwährenden Kann-Phase.«
Lampoo streuselte unlustig zwischen den Kabinen umher. Er liebte es, sehr genau über sein Pensum Bescheid zu wissen, über Weg und Ziel. Er legte Wert darauf, die Dinge richtig anzugehen, und hegte von diesem »richtig« eigene Vorstellungen. Ruhe war das Wesentliche. Ruhe vor jener Furcht, die er mit sich herumtrug, Sicherheit auf der Grundlage von Kenntnissen, gewisser Polster, die es zu arrangieren galt. Die eigene Kraft zu erschöpfen, sah er als Folge von Dummheit an. Die Kraft hatte das Ziel zu bestimmen, nicht Jermakow oder irgendein anderer. Dummheit fürchtete er wie einen tödlichen Parasiten in seinem Leib. Da war noch immer das leidige Wasserprojekt. Die Wasserleitung stand. Der Chef hatte sie mit Ortern spicken lassen und genoß das Lichterspiel auf seinem Tableau, was aber ihn, Lampoo, nicht glauben machte, daß der Mann nun ganz und gar zufrieden sei, denn es gab diese Unerfreulichkeit beim
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