Schwarze Blumen auf Barnard Drei
ist, wie du es wünschst? Weil er dich nicht anschrie? Er kann nicht anders. Du bist ungerecht.«
»Ich?« fragte Ana empört. »Und du? Wofür hältst du die… häßlichen Kerle?« Und als er sie nur ansah und nicht antwortete, sagte sie: »Ich verstehe das nicht. Seid ihr denn alle blind? Auch du, Salman?«
Noch immer war es Nacht, als sich Ana durch die Schleuse stahl. Mit sicheren Schritten glitt sie den Weg in die Richtung zum Fluß hin, den sie nun schon gut kannte. Die Nacht war stumm, die Sichel von Römisch drei Beryll schwebte über dem Horizont und warf silbrige Netze über die dunklen Massen der Vegetation. Alle Dinge sahen jetzt nur schwarz und grau und silbrig aus, und während eines Augenblicks empfand Ana die seltsame Verwandtschaft dieser Welt mit irdischen Gegenden, die sie gesehen hatte, wenn auch dort die Nacht das Grün und die Farben löschte.
Sie widersetzte sich diesen Übereinstimmungen. Sie zerriß die Fangstricke von irgend etwas Irdischem, das sie dort in ihren wenigen Jahren auf der Erde erstaunt und mit unguten Gefühlen vorgefunden hatte, sie widerstand der Routine, den Plänen, Vorschriften und Verboten, der besonderen Art von Genauigkeit und Schärfe, der Bemühung um unzählige Einzelheiten und der Vermengung all dessen mit einer ungeheuerlichen Gleichgültigkeit gegenüber etwas Allgemeinem und Großem, an dessen Vorhandensein sie glaubte und dessen Natur ihr nur durch Gefühle zugänglich gewesen war. Sie wußte das alles nicht so genau.
Ein paar Schritte noch, und sie spürte, daß die Boolies gekommen waren. Die schwarzen Körper verschlangen die letzten Reste von Helligkeit. Ana blieb stehen. Sie vermochte nicht den mindesten Schatten ihrer Partner zu erkennen, aber sie wußte, daß das Zeremoniell schon begonnen hatte. Sie wußte um das Schlängeln und Schwingen schwarzer Arme in der Dunkelheit, mit dem die Begegnungen begannen, und öffnete die Hände. Dann fühlte sie die Berührung an ihren Fingern. Wie immer hatte sie Augenblicke fröstelnden Erschauerns zu überwinden und flüchtete sich in ihren Verstand und in kühles Ermitteln.
Nach kurzer Zeit fühlte sie, daß diesmal nur ein Pärchen zu ihr gekommen war. Wie immer quoll Wärme aus der Berührung, Rausch von Zärtlichkeit und sonderbarem Verlangen. Wie immer überkam sie Gewißheit, daß auch der Leib der anderen erregbar und empfindlich war und zu Leidenschaften und Stürmen fähig, über die sie nichts wußte und über die sie kaum jemals etwas Beschreibbares erfahren würde. Menschliche Gefühle mochten einen Spielraum haben, die Gefühle jener einen anderen. Aber unter all diesen sentimentalen Wallungen, so glaubte sie, liege eine Botschaft bereit.
Hernach, wenn sie Minuten später voneinander abließen und wenn sie erwacht war, suchte sie sich zu besinnen, in sich selbst zu fahnden wie nach einem Traum, heraufzuheben, was wirklich geschehen war, und dann drängte sich ihr der Gedanke auf, während sie den Weg zur Station zurückging, daß Süße und lustvolle Zartheit der Berührungen, unter denen ihre Haut und ihr Herz gebebt hatten, nichts mehr als Attraktionskräfte seien, nichts mehr als Beiwerk, lockender Duft, um sie und die Boolies zueinander zu treiben. Das Ziel war jene Botschaft. Aber noch immer vermochte sie diese Nachricht nicht zu empfangen. Dennoch ging sie niemals ganz leer aus. Diesmal war ihr so, als habe sie einen Notruf vernommen. Ein Bild zwängte sich zwischen ihre Gedanken. Ein blasses, fleckiges, knochiges Gesicht von rührender Häßlichkeit. Girons Gesicht. Sie wünschte, es zu berühren.
14.
Tschuk wartete in der Desinfektionszelle, zwischen Containern eingezwängt, auf Grün. Die Cleaner zur Abwasserentgiftung waren im Armaturenhaus verstaut, so weit unten, daß man das Haus fast leeren mußte, um an sie heranzukommen. Transport und Schleusenprozedur für Tonnen von Material.
Auf den Lamellen des Innenrollos bewegte sich ein Schatten, das Profil eines Bärtigen, Orlow mit der nächsten Containerfraktion, der Mann war schon schneller als er. Tschuk seufzte. Draußen überfiel ihn das Licht der aufgehenden Sonne und unschönes Gelächter, als krähe ein heiserer Hahn: Blicher. Blichers Helm ragte über den Rand der Baugrube für den Cleaner und sprühte morgendlich rote Funken.
Es waren noch andere Figuren da. Tschuk fror plötzlich, Anas Stimme drang durch Blichers Gelächter hindurch: »Ich könnte dich anspucken!« Ein paarmal hintereinander
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