Schwarze Blumen auf Barnard Drei
Material?«
Die Frage rief eine Sekunde der Erstarrung hervor, nur die Behälter fuhren fort auseinanderzugleiten. Jermakow suchte dem Blick Tschuks zu entgehen, Tschuk stemmte den Rücken gegen die rutschenden Kisten und rieb sich das Genick.
Jemand fragte nach den Boolies. »Einer war da«, sagte Blicher. »Ein Posten?«
»Wohl nicht. Er war tot.«
Es entstand eine Pause.
»Einer? Wirklich nur einer allein?« fragte Giron ungläubig.
15.
Zur nächsten Wache, als während des Frühstücks fast alle da waren, teilte Lampoo mit, er habe unter seinen Mikrobenkulturen eine mit Colibakterien gefunden, sie jedoch nicht angesetzt und er würde gern erfahren, ob die Kultur in Ordnung gehe. Er wußte um die Explosivkraft seiner Mitteilung, brachte die Sache jedoch nicht anders als bieder vor und mit dem Ausdruck mäßigen Interesses.
Tschuk und Blicher setzten eine ihrer stets aufflackernden Debatten fort, Tschuk redete, kaute und lachte zugleich und hielt sich den Handrücken vor den Mund, als er sagte: »Sie haben ihn geklaut.« Judy Bean sah, daß Rahel aufhörte zu essen. »So ein Unsinn«, sagte Tschuk, »ich hab’s selbst gesehen, wie sie den Schlauch klauten, die schwarzen Raben.« Blicher krähte aufsässig.
Rahel sagte: »Es ist meine Kultur«, und lächelte Lampoo hinreißend an. Sie saß aber so steif da, daß nicht mal die Perlen in ihrem Haar klimperten.
Lampoo schickte ihr eine kulante Geste über die Köpfe hinweg. Die Explosion blieb aus.
Als Lampoo ging, hängte sich Rahel sofort an ihn und folgte ihm bis ins Mikrobenlabor. Sie mißachtete das Angebot, sich zu setzen. »Es gibt hier zwei Leute, in deren Hirn etwas klickert, wenn plötzlich eine Colikultur auftaucht: dich und mich«, sagte sie, »und sonst niemanden. Das Ding ist heiß. Du weißt, daß es heiß ist, und hängst es an die große Glocke.«
Lampoo stieg in seine Cleanmontur, aber mit gleichsam knarrenden Gelenken.
»Du hängst es da dran, und dann läutest du nicht. Warum? Ich sage dir, warum. Du machst aus dem Gerede ein Dokument, das du irgendwann mal aus der Tasche ziehst und aus der Vergessenheit, wenn dir danach ist, plötzlich und wenn die Verhältnisse passen. Du machst dir eine Wand, um sie dir in den Rücken zu stellen, wenn du Steine fürchtest, die jemand nach dir schmeißt.«
Lampoo hatte sich auf einem Hocker niedergelassen und versenkte die Hände in die Taschen seiner Cleanmontur.
»Gut, Poul«, fuhr Rahel fort, »wir sind dankbar, wenn du den Glockenstrick in Ruhe läßt.«
»Wir?« fragte Lampoo. In der Emaille seiner Hübschheit schienen sich Risse zu bilden und Flecke wie von durchdringendem Rost.
Rahel überkam eine Welle abfälligen Mitgefühls mit dem Mann. »Warum hältst du so wenig von dir?« fragte sie, vor dem Döschen mit Minzedragees zurückweichend, das Lampoo ihr hinhielt. »Hier wird jeder gebraucht, notfalls als schlechtes Beispiel.«
Giron ging zu Ana. Sie bewohnte eine Kabine für sich allein, und sie hatte den Raum so mit Bildern dieser neuen Welt ausgefüllt, wie sie selbst davon erfüllt schien. Giron fahndete jedesmal, wenn er Ana besuchte, nach Indizien für Bindungen dorthin zurück, woher sie alle gekommen waren. Er hatte noch keine gefunden.
Es waren die Art der Kontraste und besondere Stimmungen einiger Bilder, die seinen Verdacht weckten. »Du gehst noch immer nachts?« fragte er.
Ana antwortete harmlos: »Du redest, als hätte ich die Wahl.«
Giron war gekommen, um eine Frage zu stellen, trieb nun aber nur ruhelos an den Kabinenwänden vorüber und an den Bildern, die die Wände bis oben hin zudeckten, und hörte dankbar Anas rauchiger Stimme zu, die ihm half, seine Frage hinauszuschieben. Auch in den vielen kleinen und großen, meist mehrfach übereinandergehefteten Fotografien fehlte etwas. Giron wußte nicht, was es war.
»Ich fürchtete mich vor den Baals, als sie mich verfolgten, du weißt, an dem Tag, als wir uns am Fluß… getrennt hatten«, sagte Ana, »aber dann sah ich die Art, wie sie sich bewegten, und fühlte ihre Berührung. Irgend etwas geschah in diesen Augenblicken, vielleicht war es nur Neugier, die sie in mir weckten, aber eine so starke Neugier, daß ich bald an nichts anderes mehr denken konnte, und ich suchte ihre Nähe, sooft es ging.«
Wie immer begannen die Bilder Giron zu beunruhigen, je länger er sie ansah. Der Sachverhalt »draußen«, der ihn zuvor so lange
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