Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Schwarze Blumen auf Barnard Drei

Titel: Schwarze Blumen auf Barnard Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman
Vom Netzwerk:
durch das einer topographischen Projektion. Er kannte das Land gut genug, ließ das Band seiner Erinnerung wieder und wieder laufen, langsam, die Szenen anhaltend, um sie zu betrachten. Und jedesmal sah er als letztes die Rauchfahne der Station.
      Der Film schnurrte immer schneller. Die Rauchfahne war eine Mitte. Der Rauch markierte den Standort der Station. Also war die Station die Mitte. Die Mitte wovon? Irgend jemand hatte etwas von Ursachen gesagt, von Unerlaubtem, von etwas, was nicht zuzulassen war. Was? Die Boolies fielen ihm ein, wie viele er gesehen hatte, der Widerspruch zwischen Eile, Eifer und Ziellosigkeit ihrer Wege. Die Richtungen dieser Wege erwiesen sich plötzlich denen heranziehender Nebelfronten entgegengesetzt.
      Giron erinnerte sich genau. Er erinnerte sich der Gleichzeitigkeit konturenscharfer Horizonte rundum und der wallenden Boolieketten in diesem Kreis. Sie eilten einem Ereignis entgegen, das es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gab. Dann war plötzlich Orlows Stimme da: »Es ist möglich, wenn eine… Absicht dazu treibt.« Wessen Absicht?
      Eine Weile fand Giron nichts anderes in seinem Kopf vor als die verrückten Ideen über das Rauschen der Dinge und Pläne, danach dieses Bild: Die Scheibe, der Sportbogen, den er zum Schuß gespannt hielt, den er immerfort nur spannte, ohne den Schuß zu lösen, es mangelte an einem Ziel. Giron lächelte, ein Schauer überlief ihm den Rücken. Nein, diesmal mochten es nur die Finger sein, die zu kalt waren, zu klamm und zu zittrig zum Schießen. Er schüttelte das ab. Ein Rest blieb haften, jenes störende Gefühl. Er wußte, welches: Er mußte zur Station zurück. Unbedingt mußte er dorthin zurück, aber wie?
      Taten begannen immer mit einer Inventur. Giron seufzte, die seine war kurz: kein Sender, kein Peiler, keine drahtlose Brücke zum Haus, nicht einmal eine Idee – ein Aufbruch voller Ordnungswidrigkeiten. Er haßte Perfektion. Ordnung: granitenes Fundament der Sicherheit, Unordnung: Wonne der Phantasie. Die Bestandsaufnahme zerlief zu Nebendingen.
      Vorsichtig und so, als sei das Feste unter ihm nur ein Seil, stand er auf, um zu gehen, tat drei, vier Schritte, hielt inne. Blind mit boshaftem Boden unter den Stiefeln und bei null Komma zwei g war es unmöglich, zu gehen. Er legte sich auf den Bauch und kroch. Zunächst würde er den Fluß ansteuern müssen, sich flußaufwärts wenden, sobald er diesen erreicht hatte, bis er auf die Pumpe stieß. Von da an schien ihm alles Weitere einfach, denn da führte der Frischwasserschlauch wie ein Leitstrahl zur Station.
      Überall lagen die Pingpongbälle herum. Je näher der Fluß, um so dichter würden die Steine lagern, am Ende zu Halden gehäuft, die er kannte. Ein guter Richtungsweiser. Vermutlich der einzige. Giron kroch behende, die Augen zwölf Zentimeter über dem Boden, hernach behutsamer, als ihm der Helm ein paarmal gegen Hindernisse gekracht war. Er begrüßte die Pingpongbälle, liebkoste die ersten, die er fand, mit seinen behandschuhten Fingern. Dann eröffnete er eine Registratur in seinem Kopf und trug die Anzahl der Steine da ein zu einer Art Histogramm über die Zeit. Die Steine waren seltsam trocken, und er fand einmal mehr und einmal weniger. Ab und zu wechselte er den Kurs, um den richtigen herauszutüfteln, kroch auf diese und jene Art, denn Hände und Knie begannen zu schmerzen. Die Kurse, die er einschlug, schienen ineinander überzugehen, Giron atmete kürzer, und plötzlich begann ein Zahn in seinem Kiefer zu tuckern. Er hielt im Kriechen inne und dachte nach.
      Hierauf dröselte er eine Spule aus einer der elektrischen Überflüssigkeiten der Montur heraus, befestigte ein Ende des Drahtes am Boden, kroch, die Spule abwickelnd und den Draht als soliden Vektor hinter sich lassend, in irgendeine Richtung davon, reichlich hundert Meter, bis der Draht zu Ende war, tausend Zwölfzentimeterkontrollen, so weit er eben zu sehen vermochte. Er zählte die Pingpongbälle für seine Statistik und kroch, die Spule wieder aufwickelnd, denselben Weg zurück. Für den nächsten Vektor wählte er sorgfältig einen Winkel von sechzig Grad. Ein zweites Tausend Kontrollen. Kriechen, visieren, zählen. Ein drittes Tausend. Endlose, verhaßte Pendanterie.
      Er vergaß diesen Haß. Hände und Knie entflammten jedesmal, wenn sie den Boden berührten, unter einem Schulterblatt wuchs ein spitzzackiger Kristall zur Größe einer Faust heran, jetzt haßte er die Hitze in den

Weitere Kostenlose Bücher