Schwarze Blumen auf Barnard Drei
sie dachten sich etwas dabei.«
Ein flüchtiges Grinsen zog M’Babwas Gesicht in die Breite. »Manchmal denken die wirklich«, fuhr er fort. »Sie schickten das Buchstabenmuster und dessen Umkehrung als Stichworte an ein Dutzend auswärtige Informationsdepots und erhielten genau ein dutzendmal die Arbeit eines Chilenen über wilde Gärung zurück und über irgendein Pepton. Sie konnten damit nichts anfangen und brachten mir die Nachricht ins Labor.« M’Babwa-King zog die Hände vor der Brust zusammen und kehrte die rosigen Handflächen nach außen. »Natürlich konnte ich mit der Nachricht etwas anfangen. Sofort. Wir arbeiteten wie irrsinnig, um das Pepton an unser Molekül zu kuppeln. Es ging. Es ging ausgezeichnet. Prouza hat die Charge jetzt, um sie sauberzumachen. Sauber genug für ein Röntgendiagramm.«
Lampoo hörte und sah das alles mit der Unschärfe einer ihn jählings überkommenden Erschlaffung. Er erhob sich zu mühsamer, peinlich ins Auge fallender Länge, förderte ein weiteres Döschen aus der Kitteltasche und bot den Männern Pfefferminzpastillen an. »Sie wußten das alles?«
»Wir wußten das alles«, sagte M’Babwa-King.
»Die ganze Zeit?«
»Die ganze Zeit.« Lampoo wandte sich in seiner linkischen Gehweise, um das Kabuff zu verlassen. Weiße Flecken zermalmter Minzepastillen markierten jeden seiner Schritte.
Der Dicke saß in Lampoos Sessel, seine Arme hingen nach unten, und auch die Lider, die Nase und die Lippen hingen in seinem Gesicht herab, von Kummer beschwert, als sei er der Verlierer. Plötzlich, als Lampoo schon die Türklinke ergriff, sagte der Mann: »Hören Sie, Lampoo, wir sind noch nicht fertig.« Seine im Fett versunkenen Augen glitzerten unversehens wie Glasperlen aus ihren Verstecken hervor. »Sie könnten die Anzahl unserer bisher erzeugten Globulinvarianten getrost mit sich selbst multiplizieren, um zu erfahren, der wievielte Versuch uns das richtige Molekül gebracht hätte. Man brauchte ein Haus mit fünfhundert Köpfen. Das war es, woran ich immer dachte. Wissen Sie, Lampoo, wie lange wir noch hätten suchen müssen nach diesem verdammten Molekül? Wie lange wir hätten suchen müssen ohne Ihre Idee? Es bleibt zu reden übrig über die Signatur auf dem Röntgendiagramm, das wir veröffentlichen werden, über die Autoren dieses Diagramms. Über die Verteilung des Verdienstes, wenn Sie es so ausdrücken wollen. Setzen Sie sich, wenn ich bitten darf, dorthin.«
24.
Das Rosafarbene, Leichte, das Giron so lautlos beschlichen und sich seiner so jäh bemächtigt hatte, machte ihn selber leicht. Die Blindheit nahm ihm das Gefühl der eigenen Schwere, das Wissen, was oben und was unten sei. Weit Zurückliegendes trat an deren Stelle, Peinliches, das er vergessen glaubte. Wie von selbst hoben sich seine Arme, als wolle er schwimmen, und wie von selbst zog Bereitschaft zu Tricks in seine Fingerspitzen ein, zu diesen elenden Tricks der Schwerelosigkeit.
Giron wußte, daß all das Unsinn war, fauler Zauber, Hokuspokus. Er steckte in einer Art Nebel, einem gewöhnlichen Substrat seines Berufs. Es gab kaum Gewöhnlicheres für ihn als das. Also führte er eine Hand auf die Front seines Helms zu, um den Augen eine Marke zu schaffen, wohin sie blicken konnten. Er strauchelte, ehe etwas zu sehen gewesen war, und fluchte; wenigstens konnte er seine Stimme hören. Schließlich hockte er nieder, setzte sich auf die Steine, genoß ihren Druck, sein eigenes Gewicht, während das Leichte um ihn herum zu kreisen oder er selbst sich in ihm zu drehen schien, und dann konnte er die halbe Spanne einer Hand weit sehen oder ahnen, daß da etwas war, zwölf Zentimeter. Eine Weile blieb er so sitzen, als er das Karussell hatte anhalten können, heiter fast, und wartete. Es traf nichts Weiteres ein. Giron überlegte, wie und warum der Nebel gekommen war und wie er ihn in Einklang zu bringen vermochte mit all den hundert Gesetzen, Regeln und Hypothesen, die in seinem Beruf galten, und dem, was er erwartet hatte. Ideen stellten sich ein, zu viele auf einmal, und noch etwas anderes zwängte sich zwischen die Gedanken: ein überaus störendes Gefühl.
Mit der Genauigkeit eines wiederholbaren Films vermochte er zu rekonstruieren, wie es herging, als der Nebel das Land verschlang. Lautlos schlich das heran, Stück um Stück fraß es das Land, oder Stück um Stück brach vom Lande ab und fiel wie Scherben vom Rand eines Tellers. Giron ersetzte das Bild des Tellers
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