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Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)

Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)

Titel: Schwarze Blumen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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eins ums andere eingehend untersucht. Manchmal hält sie es in den Armen und spricht damit; dann wieder schürzt sie die Lippen, beugt sich vor und reicht es ihm, bevor sie zurückkehrt und etwas Neues holt. Sie wird immer mutiger, verspielter – normaler. Er sammelt die Spielsachen auf den Sessellehnen oder im Schoß oder neben dem Kissen eingeklemmt, vielleicht etwas unsicher, was er tun soll, doch instinktiv weiß er – nichts.
    Er möchte sie nach ihrem Vater fragen, unterlässt es aber. Stattdessen nimmt er stumm jedes Spielzeug, das sie ihm reicht, und verfolgt ihre wachsende Zutraulichkeit mit so etwas wie Stolz. Irgendwie fühlt sich Sullivan jedes Mal, wenn er das Haus wieder verlässt, jünger als beim Betreten: irgendwie beflügelt. Charlotte, denkt er. Du schaffst das. Dabei ist nicht immer ganz klar, wem der Gedanke gilt: ihr oder Anna Hanson, dem kleinen Mädchen, das er nicht gerettet hat. Ihm ist dieser Fehler im selben Moment bewusst, in dem er ihn begeht, doch es passiert fast wie von selbst, jeden Abend wieder.
     
    Also kommt er jeden Abend spät nach Hause.
    Seine Frau sagt kaum ein Wort; sie bewegen sich in einer eingespielten Choreographie auf engem Raum, so dass sie es unbewusst vermeiden, einander zu berühren. Abgesehen von den kleinen, praktischen Alltagsdingen, fällt ihnen nichts ein, worüber sie reden müssten. Sie trinkt, auch wenn sie es beide nicht erwähnen. Oft greift auch er zum Glas. In letzter Zeit fühlt es sich so an, als sei ihr Leben wie ein Stamm mit der Axt in zwei Hälften gespalten und sie wüchsen jeder für sich mit neuen Trieben weiter, so dass sie unwiderruflich nie wieder zusammenpassen würden.
    Sie wären allerdings besser beraten, mehr Zeit zu Hause zu verbringen.
    Er sagt sich, dass er das Mädchen aus zweierlei Gründen besucht:
    Erstens, um dafür zu sorgen, dass sie in Sicherheit ist. Auch wenn Mrs. Fitzgerald eine verstärkte Tür hat und in keinem Telefonbuch oder Adressverzeichnis steht, fühlt er sich besser, wenn er das Mädchen selber sieht und sich davon überzeugt, dass alles in Ordnung ist. Er hat ihr versprochen, sie zu beschützen, und er wird es tun.
    Der zweite Grund ist die tägliche Fahrt dorthin, auf der er ein wachsames Auge in den Rückspiegel wirft, bis er bei Mrs. Fitzgerald eintrifft. Sullivan ist die offizielle Kontaktperson für jeden, der sich wegen des kleinen Mädchens meldet, und wenn er auch nicht damit rechnet, dass der Vater der Kleinen sich auf amtlichem Wege mit ihm in Verbindung setzt, kann er nicht ausschließen, dass der Mann versuchen wird, den Aufenthaltsort seiner Tochter heimlich in Erfahrung zu bringen. Also macht er Umwege und steuert auf verschlungenen, kurvenreichen Straßen sein Ziel an, und bis jetzt hat er nichts Auffälliges hinter sich bemerkt. Es folgt ihm überhaupt kein Fahrzeug, schon gar nicht ein rostiger roter Lieferwagen, nicht dieses Auto, das er sich im Geist wie eine Rauchwolke vor der untergehenden Sonne ausmalt, als käme es direkt aus der Hölle.
    Auch bei den amtlichen Ermittlungen hat es keinen Fortschritt gegeben. Die eher bescheidene Berichterstattung hat nur die unvermeidlichen wichtigtuerischen Anrufe und entsprechenden Vorladungen auf das Revier nach sich gezogen. Die Spinner, die auf Teufel komm raus Aufmerksamkeit schinden wollen. Leute, die offensichtlich nichts von dem kleinen Mädchen, der Handtasche, der Blume wissen und sich einfach nur in den Vordergrund spielen wollen, selbst auf so selbsterniedrigende Weise. Nach und nach haben sie diese Fälle ausgemerzt, und je mehr Zeit verstreicht, desto mehr wächst Sullivans Sorge, desto sicherer ist er, dass die Geschichte der Kleinen stimmt.
    Endlich dämmert es auch anderen Leuten. Grays Vorhersage liegt wie eine schwere Last auf dem Dezernat. In der Regel wollen Eltern ihre Kinder wiederhaben – und doch hat sich bisher niemand gemeldet. Was hat das zu bedeuten? Wieso will niemand dieses kleine Mädchen?
    Anna, denkt er.
    Nur natürlich nicht Anna, sondern Charlotte.
    Während er an diesem Abend im Bett wach liegt, bescheinigt er sich: Du nimmst dir die Sache viel zu sehr zu Herzen. Und doch registriert er diese Tatsache mit der gleichen Distanz, mit der er an die Schlafzimmerdecke starrt. Er durchschaut seine eigenen Triebfedern, erkennt das Problem nur zu gut. Aber er kann es nicht ändern. Wenn er an Anna Hanson denkt, fällt es ihm immer schwerer, sich ihr kleines Gesicht vor Augen zu führen; doch wenn er sich Charlotte

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