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Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)

Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)

Titel: Schwarze Blumen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Mosby
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vorstellt, hat er an ihrer Stelle Anna vor sich. Vor Angst pocht ihm das Herz bis zum Hals. Er fürchtet nicht nur, dass etwas Schreckliches passieren wird, sondern dass es seine Schuld ist.
    Wenn er dann endlich schläft, träumt er von schwarzen Blumen.
    Er befindet sich im Kriechkeller unter einem Haus. Der Zwischenraum ist hoch genug, dass er sich im Knien aufrichten kann. In der Dunkelheit vor ihm sieht er eine schreckliche, bleiche runde Form. Die schlaffen Züge schimmern in den Sonnensplittern, die durch das Gitter rings um sie beide einfallen. Dieser Ort wirkt seltsam fruchtbar. Er riecht nach Würmern, die im Boden wühlen. Er hallt von Grillen wider und vom leisen Rascheln der Gräser, die sich beim Wachsen entrollen. Bis zum Hals ist das Mädchen begraben, nur der Kopf ragt aus der sich kaum merklich windenden Erde. Auf ihrem Haupt kringelt sich etwas.
    Das ist Jane, als sie aufgehört hat zu reden. Als sie nicht mehr spielen konnte. Rings um sie öffnen und schließen sich im Takt pechschwarze Blütenblätter, hörbar wie Wimpernschläge im Dunkeln.

11
    W ie Wimpernschläge im Dunkeln.
    Das gehörte zu Cartwrights Lieblingszeilen aus dem Buch, weil es zeigte, dass Robert Wiseman wirklich verstanden hatte.
    Auch wenn sie sich nie persönlich begegnet waren, hatte es diese Verbindung zwischen ihnen gegeben: zwei Menschen auf einer ähnlichen Wellenlänge. Seit er – praktisch durch Zufall – das Buch entdeckt hatte, fühlte sich Cartwright mit ihm seelenverwandt. Er hatte auf der Suche nach Secondhand-Kleidern in einem Wohltätigkeitsladen eine neuwertige Leinenausgabe auf dem Regal entdeckt und sich von dem Titel angezogen gefühlt. Nach der Lektüre war ihm klar gewesen, dass Wiseman sein Leben genommen und daraus etwas anderes gemacht hatte. Wenn jemand Die schwarze Blume las, wurde Cartwright in dessen Vorstellungskraft lebendig.
    Der Gedanke hatte ihn auf der Stelle fasziniert. Er hatte schon immer gewusst, dass das Leben ein unablässiger Wechsel von Ebbe und Flut ist, doch bis dahin hatte er dies nur auf der physischen Ebene gesehen. Dabei hatte er schon immer eine Vorliebe für die Phantasiewelt in Büchern gehabt. Wiseman jedoch hatte ihm gezeigt, dass Bücher auch noch eine ganz andere Dimension erreichten, wenn die vielfältige Gestalt des Lebens in Ideen umgewandelt wurde. Diese neue Welt war wie ein in bunten Farben gewobenes Bild, das über unserem eigenen hing. Er stellte sich Seelen vor, die wie Nebeldunst aus der realen Welt emporschwebten, und umgekehrt Ideen, die von dort oben herunterfielen und mit ihrem dumpfen Aufprall ihre Saat in alle Winde zerstreuten. In der Kette von Ursache und Wirkung bestand jedes zweite Glied aus Träumen.
    Und so hatte Wiseman ihn in sein Buch geschrieben, und umgekehrt hatte er gewissermaßen Wiseman geschrieben. Auf seine eigene Weise, so wie die Geschichte, die er auf Dawsons Laptop gefunden hatte. Er hatte geahnt, inwieweit die Geschichte aus dem echten Leben schöpfte, ein Gespür für die Seele bekommen, die sich dahinter aufgeschwungen hatte, und nun war die Idee mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden der Realität gelandet. Cartwright hatte einfach nur ein wenig in die Pollen geblasen. Damit sie sich ausbreiten und neue Blüten treiben konnten.
    Er stand auf. Später kam noch ein Satz in Wisemans Buch, den er jetzt fand und leise las.
    Sullivan sieht zu, wie der Mann etwas zappelndes Weißes in das Loch an den Wurzeln wirft und sich dann anschickt, die Erde wieder darüberzuschaufeln.
    Das gefiel ihm.
    Ja, Wiseman hatte wirklich verstanden. Schon damals.

    Draußen vor dem Bauernhaus konnte er das Tuck-tuck-tuck der Hühner hören, ihr Flattern und ihren gelegentlichen Aufprall, wenn sie an die Grenzen ihres Drahtverschlags stießen und erschrocken zurücktaumelten. In der Ferne drohte die Sonne aufzugehen, ein gelber Kranz, der hinter den Bäumen schon den Horizont wärmte. Draußen auf den Wiesen würden bald Lichtstrahlen über die Gräser streichen, bis die Welt Feuer fing. Bis dahin würde nach und nach im morgendlichen Dunkel der ganze Hof zum Leben erwachen. Er rührte sich im Schlaf. Streckte die Glieder und blinzelte wie … Blütenblätter.
    »Hol die Familie her«, befahl Cartwright dem Jungen auf der Eingangsveranda.
    Der Junge huschte davon, um genau das zu tun.
    Keiner von ihnen wurde bei irgendeinem Namen gerufen. Das gehörte zu den Verbesserungen, die er gegenüber den Lehren seines Vaters eingeführt hatte, nachdem er erkannt

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