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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Highschool, und darauf sah er ziemlich töricht und ahnungslos drein.
    Cloyce hatte sich offenbar über mich informieren wollen.
    Da er nun Bescheid wusste, ahnte er wohl, dass ich am Verschwinden von Victoria Mors schuld war.
    Das hieß, man suchte nicht nur nach Victoria, sondern auch nach mir, was meinen Plan, den Jungen zu befreien und mit ihm aus Roseland zu fliehen, fast unmöglich machte.
    Eine Hand schloss sich um meine Schulter, und ich dachte, mein Haar würde weiß werden. Es war aber nicht Cloyce, sondern Mr. Hitchcock. Er machte mit Daumen und Zeigefinger das OK -Zeichen, um mir zu versichern, alles würde gut laufen.
    »Tja, hoffen wir’s«, sagte ich.
    Er hob beide Daumen, um anschließend diskret zu verblassen.

40
    Hinter einer Ecke des Westflügels stehend, horchte ich, während man die vom langen Südflur abgehenden Räume durchsuchte. Wie abgesprochen, hatten sich meine vier Gegner paarweise zusammengetan, und die beiden Paare entfernten sich nie weit voneinander.
    Angst hatten sie vielleicht nicht, aber auf jeden Fall machten sie sich große Sorgen. Sie mussten annehmen, dass Victoria womöglich tot war, und damit war deren Eintrittskarte zur Unsterblichkeit dahin. Wenn jedoch Victoria innerhalb der hohen Mauern von Roseland getötet werden konnte, dann drohte dieses Schicksal auch den anderen.
    Als sich die vier am Ende des Südflügels versammelten, hörte ich, wie sie beschlossen, über die Hintertreppe ins Erdgeschoss zu gehen und dort von der Küche aus weiterzusuchen. Sobald die Schritte im Treppenhaus verhallt waren, trat ich in den Südflur und eilte auf die Zimmer des Jungen zu.
    Das Haus war riesig, und da die zwei Suchtrupps Vorsicht walten ließen, kamen sie wahrscheinlich nur langsam vorwärts. Dennoch würde es nicht lange dauern, bis sie Victoria Mors gefesselt und geknebelt hinter den Kesseln im Heizungsraum fanden. Im Gegensatz zu dem, was sie bisher vermutet hatten, wussten sie dann, dass ich im Haus war. Victoria und der Koch würden sich der Jagd auf mich anschließen. Dann war Henry Lolam, der so lange im Pförtnerhaus festsaß, wie die Biester durchs Gelände streiften, der Einzige, der mir nicht mit Vergnügen eine Kugel verpasst hätte.
    An der Tür des Jungen angelangt, trat ich ein, ohne zu klopfen.
    Falls er vorher in einer Trance gewesen war, hatten sein Vater und die anderen ihn aufgeschreckt, als sie seine Räume durchsucht hatten. Er saß in seinem Lehnstuhl, umgeben von den Büchern, mit deren Hilfe er versuchte, sein sonst extrem eingeschränktes Leben zu leben.
    Klein und elend sah er aus. Offenbar hatte ich ihn nicht davon überzeugt, dass er auf meine Rückkehr zählen konnte.
    Ich setzte mich auf die Ottomane vor seinem Sessel. »Timothy«, sagte ich. »Das ist dein Name. Timothy Cloyce.«
    »Sie suchen nach dir«, sagte er.
    »Noch nicht. Sie suchen nach Victoria, aber wenn sie die gefunden haben, werden sie nach mir suchen.«
    »Sondra«, sagte er.
    »Wie?«
    »Damals hieß sie noch Sondra. Ihren Nachnamen weiß ich nicht mehr. Ich glaube nicht, dass ich ihn je gehört habe.«
    »Du kanntest sie?«
    »Sie und Glenda, die sich heute Valerie Tameed nennt. Die waren seine Geliebten. Sie haben zusammen Dreier gemacht – du weißt schon, sich zusammen ins Bett gelegt.«
    Dass er so viel über Sexualität wusste, brachte mich durcheinander, obwohl er natürlich nicht der neunjährige Junge war, nach dem er aussah. Laut der Plakette im Mausoleum war er im September 1916 geboren. Das hieß, er war jetzt fünfundneunzig Jahre alt und besaß das Wissen eines belesenen Mannes dieses Alters, wenn auch nicht dessen Erfahrung.
    Wie bei meinem ersten Besuch war ich betroffen von seinen rötlich braunen Augen. In ihnen lag eine so tiefe Einsamkeit, dass es sich um Verzweiflung handeln mochte. Offenbar war seine innere Landschaft freudlos und düster, wenn auch wohl noch nicht völlig ohne Trost. Ich hatte noch nie zwei Augen gesehen, deren Blick allein mich mit solcher Traurigkeit erfüllen konnte.
    Angesichts dessen, wie lange er so gelebt hatte, war es schon ein Triumph für ihn, nicht wahnsinnig geworden zu sein. Vielleicht lag das an dem Teil seiner Psyche, der kindlich geblieben war und ihn mit dem Staunen und der hartnäckigen Hoffnung eines Kindes am Versinken hinderte.
    Während ich das Handtuch aus dem Kissenbezug holte und die Metallsäge auspackte, kam mir in den Sinn, nach seiner Mutter Madra zu fragen. Zuerst zögerte ich, dachte dann jedoch daran, dass

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