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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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getroffen war, der mich hinters Licht geführt hatte, hieß das noch lange nicht, dass alle weiteren Geister, auf die ich den Rest meines Lebens treffen mochte, ebenfalls unfähig waren, mich in die Irre zu führen.
    Die auf der Erde verweilenden Toten sind im Allgemeinen ein deprimierter Haufen. Meist sind sie an den Ort gefesselt, an dem sie gestorben sind. Sie sind nicht in der Lage, zum nächsten Multiplex zu düsen, um sich den neuesten Hollywoodschinken anzuschauen und dabei eine Monstertüte freilaufendes, in behördlich empfohlenem Fischöl geröstetes Popcorn zu futtern. Nachdem sie sich jahrelang Sorgen gemacht haben, was sie im Jenseits wohl erwarten könnte, und nachdem sie sich in der Hoffnung, ihre Mörder der gerechten Strafe zuzuführen, so lange an diese Welt geklammert haben, bräuchten sie eigentlich dringend ein wenig Abwechslung.
    Ich malte mir aus, wie die beiden Geister, Frau und Ross, durch Roseland galoppierten und dabei herzhaft – wenn auch lautlos – lachten, weil sie den leichtgläubigen Odd Thomas so locker dazu gebracht hatten, auf einen Baum zu klettern und dort zitternd und bebend auf ein nichtexistentes Monster zu warten, wo ich doch schlimmstenfalls zu befürchten hatte, dass mir ein über mir hockender Vogel auf den Kopf kackte.
    Dann traf das Monster ein.
    Im Plural.
    Der erste Hinweis darauf, dass ich nicht von einem berittenen Geist hinters Licht geführt worden war, war ein schwacher, ätzender Geruch, der durch die Blätter zu mir herauf stieg. Er mischte sich in den weichen Duft von Eichenrinde, grünen Blättern und aufgeplatzten Eicheln vom letzten Jahr, die wie beschädigter Baumschmuck an den Zweigen hingen.
    Es war der Geruch von Ozon, der hier zwar wesentlich weniger scharf war als vorhin im Stall, aber nicht weniger fehl am Platz. In der freien Luft konnte er sich nicht so verdichten wie in einem geschlossenen Raum, aber ich zweifelte nicht daran, dass er eine mir bereits bekannte Gefahr ankündigte.
    Eine rasche Veränderung der Lichtverhältnisse bestätigte meine Vermutung, dass eine weitere Begegnung mit der stinkenden Schar aus dem Stall bevorstand. Das goldene Sonnenlicht, das in den Lücken zwischen dem Blattwerk funkelte, wurde gelborange. Außerdem kam es nicht mehr von Osten, sondern von Westen.
    Auch wenn ich das unverständliche Zeug, das manche Leute mir vorsetzen, oft nicht kapiere, liege ich eigentlich immer richtig, wenn ich Scherereien vorhersehe. Gäbe es einen nationalen Wettbewerb der verwirrten und paranoiden Hellseher, dann würde ich definitiv den Pokal gewinnen und könnte mich zur Ruhe setzen.
    Der Boden unter den Bäumen war mit den kleinen ovalen, trockenen Blättern der Lebenseichen bedeckt, weshalb kein Lebewesen es geschafft hätte, leise darüber zu schreiten. Die unheimliche Schar, die gehofft hatte, mich aus dem Futterkasten zu holen, bemühte sich jedoch ohnehin nicht im Mindesten, verstohlen vorzugehen. Sie trampelte so unbekümmert über den Laubteppich, dass dessen Knistern jedes Knurren und Schnauben übertönte, das die Biester womöglich von sich gaben.
    Durch das gestaffelte Blattwerk spähte ich hierhin und dorthin, doch die begrenzte Sicht, die ich hatte, verriet mir nichts Neues über die Angekommenen. Die Bäume warfen einen dunkleren Schatten als zuvor, und das gespenstische Licht durchstieß das Geflecht der Zweige nicht wie die Morgensonne, sondern pulsierte zäh hindurch, als würde ein nicht wahrnehmbarer Windhauch unsichtbare Flammen anfachen, deren Widerschein durch die Bäume drang.
    Von der Schar unter mir waren nur schattenhafte Formen erkennbar. Manche bewegten sich flink, andere träge, aber alle wirkten aufgeregt und schienen dringend etwas zu suchen. Was sie da suchten, waren wahrscheinlich keine wohlanständigen jungen Damen, mit denen sie eine Familie gründen und traute Abende am heimischen Herd verbringen wollten.
    Ob geschmeidig oder träge, sämtliche Biester bewegten sich auf dieselbe ziellose Weise durch die Bäume, von Westen nach Osten, dann nach Norden und schließlich nach Süden. Am Knistern des trockenen Eichenlaubs war ihr hektischer Marsch leicht zu verfolgen.
    Jedes Mal, wenn sie in meine Nähe kamen, hörte ich sie nun wieder grunzen und knurren wie vorher im Stall. Die kehligen Geräusche hatten jedoch einen etwas anderen Charakter als das, was ich durch die Belüftungslöcher des Futterkastens wahrgenommen hatte.
    Es waren immer noch Geräusche, wie Tiere sie machten, doch sie waren nicht

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