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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Wieder war die Dämmerung zu früh hereingebrochen, lange vor Mittag. Das schwindende Licht nahm eine rotorange Färbung an. Wo es wie leuchtender Staub auf den Gestalten unter der Eiche lag, enthüllte es keinerlei Einzelheiten, so als würde ich durch ein Nachtsichtgerät mit fast leerem Akku blicken.
    Während die Dunkelheit allmählich zunahm, begannen unter mir die Augen meiner Verfolger zu glühen. Zuerst waren sie rosa und geradezu hübsch wie kleine Elfenlichter, bald wurden sie jedoch so gelb, wie ich mir Wolfsaugen bei Nacht vorstellte. Leider waren diese Kreaturen bei Weitem nicht so handzahm wie Wölfe.
    Bei früheren Gelegenheiten hatte ich es mit Mördern, Serienkillern, Drogenhändlern, korrupten Polizisten, einem fehlgeleiteten, zum Mönch gewordenen Milliardär, Kidnappern, Terroristen und anderen Leuten zu tun gehabt, die an irgendeinem Punkt ihres Lebens auf die dunkle Seite geraten, zu ihr gezerrt worden oder begeistert zu ihr übergelaufen waren. Mit Vampiren und Werwölfen muss ich mich hingegen nie auseinandersetzen, aus dem einfachen Grund, dass sie nicht existieren, richtig?
    Als ich durch die Eichenäste auf die gelbäugige Schar hinunterstierte, kamen die Biester mir trotzdem so vor, als wären sie einem gruseligen Jugendroman entsprungen, um sich auf die Suche nach Blut und neuen Freundinnen zu machen. Falls das der Fall war, sahen sie wahrscheinlich nicht gut genug aus, um viel Erfolg zu haben.
    Abgesehen davon bestand eine relativ gute Chance, dass diese Dinger nicht klettern konnten. Pumas können klettern, Kojoten nicht. Bären sind gute Kletterer, Wölfe müssen unten bleiben. Eichhörnchen klettern toll, Kaninchen blamieren sich schon, wenn sie es versuchen. Vielleicht musste ich bloß warten, bis das seltsame Zwielicht nachließ, wie es schon im Stall geschehen war.
    Eines der Biester entschied sich fürs Klettern.
    Sofort verließ ich meine Gabelung und kletterte so flink weiter nach oben wie ein kleiner Junge beim Äffchenspielen.
    Als ich nach unten spähte, sah ich erleichtert, dass mein nur als schattenhafte Gestalt erkennbarer Verfolger Probleme hatte, den Baum zu besteigen. Offenbar war er fürs Klettern nicht besonders gut geeignet. So wie das Ding zornig knurrte, jaulte und wild auf den Baum einschlug, hielt es ihn wohl für einen Gegner, der ihm absichtlich Widerstand leistete. Es rächte sich, indem es die Äste malträtierte, dass die Blätter nur so durch die Luft flogen.
    Je höher ich gelangte, desto weniger Laub war zwischen mir und dem Himmel. Eigentlich hätte das Licht also heller werden sollen, doch die Sonne versank so rasch im Meer wie ein brennendes Schiff, das von Kanonenkugeln durchlöchert worden war.
    In wenigen Minuten würde es völlig dunkel sein. Wenn ich mir dann hoch über dem Boden blindlings einen Weg durchs Labyrinth der Äste suchen musste, war ich geliefert.
    Bevor das Licht knapp wurde, wurde der Baum knapp. Die höheren Äste waren viel weniger dick als die niedrigen, und sie bogen sich gefährlich nach unten. Immer wieder rutschten meine Füße ab, und meine Hände schmerzten, weil ich mich so verzweifelt festklammerte.
    Ich hielt inne und ging vorsichtig in die Knie, um mich mit dem Rücken an den wesentlich dünner gewordenen Stamm zu lehnen. Der Ast, auf dem ich rittlings saß, bot keine besonders angenehme Sitzunterlage. Wenn ich abrupt das Gewicht verlagerte, war ich reif für den Knabenchor.
    Obwohl ich heftig schnaufte, hörte ich weit unter mir ein Klatschen, weil das tobende Biest immer noch versuchte, die Eiche zu bezwingen, indem es auf sie einschlug. Ich tröstete mich damit, dass sein IQ zwar zweifellos hoch genug war, um ein politisches Amt zu übernehmen, aber nur einen Bruchteil von meinem betrug.
    Auch der Ozongeruch war weiterhin wahrzunehmen, schwach, aber hartnäckig. Da ich mich nun auf annähernd zwanzig Metern Höhe befand, roch ich die Meute unten jedoch nicht mehr.
    Ein oder zwei Minuten später stieg der Gestank wieder zu mir hoch, wodurch mir klar wurde, dass der Kletterer inzwischen wohl doch Fortschritte machte.
    Dunkelheit überzog den Himmel über mir, und einen Moment lang konnte ich die schwarzen Äste der Eiche nur spüren und ahnen, aber nicht mehr sehen.
    Das geschwundene Licht hielt das Biest unter mir nicht auf. Es kämpfte sich weiter gewaltsam durch den widerstrebenden Baum aufwärts. Zweige brachen, und die Blätter rauschten wie bei heftigen Böen. Zufriedene Grunzlaute schienen darauf hinzuweisen,

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