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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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ausschließlich tierischer Natur. In manchen dieser Rufe glaubte ich etwas Menschliches zu hören: einen wortlosen Ausdruck der Verzweiflung und ein erbärmliches, angstvolles Wimmern, wie ich es selbst in großer Gefahr hätte von mir geben können. Dazu kam ein gequältes, zorniges Knurren, dass nicht nur tierhafte Wut ausdrückte, sondern auch einen bitteren Groll, der auf Emotionen hindeutete, wie nur intelligente Wesen sie besitzen.
    Die Luft war nicht kalt. Mein leichter Pulli und die Jeans waren genau das Richtige für diesen Tag. Dennoch kroch mir ein Frösteln in die Glieder.
    Was da nach mir suchte, war ebenso eine Meute wie ein Rudel.
    Ein Rudel von Tieren ist eine Gruppe von Individuen, die alle die Persönlichkeit ihrer Spezies verkörpern und sich gemeinsam so verhalten, wie es den Instinkten und Gewohnheiten der Art entspricht.
    Eine Menschenmeute hingegen ist ungeordnet und regellos. Erregt werden ihre Mitglieder nicht von der Jagd wie Tiere, nicht von einem angemessenen Bedürfnis nach Nahrung, sondern von einer Idee , die wahr oder eine Lüge sein kann. Oft ist sie Letzteres. Handelt es sich um eine unheilvolle Idee, was eine Lüge immer ist, dann sind jene, die von ihr aufgeputscht werden, unendlich gefährlicher als jedes Tier, das jemals auf der Erde gelebt hat. Die Mitglieder einer von einer Lüge angestachelten Meute sind wild, grausam und zu einer derartigen Gewalt fähig, dass ein Löwe entsetzt vor ihnen fliehen und ein Krokodil sich in die Sicherheit seines Sumpfs zurückziehen würde.
    Den Geräuschen nach zu urteilen, waren es jetzt wesentlich mehr als im Stall. Außerdem war ihr Verhalten von größerer Dringlichkeit. Der Lärm, den sie machten, wies darauf hin, dass sie sich in eine Raserei versetzten, in der nur noch Blut sie beschwichtigen konnte, und zwar eine Menge Blut.
    Dreimal waren sie nun schon unter dem Baum vorbeigekommen, auf dem ich mich verbarg, und bisher hatte ihr Geruchssinn – oder irgendeine andere Wahrnehmung, mit der sie sich orientierten – versagt. Als die Biester zum vierten Mal vorüberströmten, konnte ich immer noch nichts von ihnen sehen als sich gegenseitig anrempelnde Schatten, die groteske Entstellungen aufwiesen.
    Das gelborangefarbene Sonnenlicht verwandelte sich allmählich in dunkles Orange. Ich würde diese Wesen also kaum deutlicher sehen können, falls sie ihre Suche nicht nach oben ausdehnten und mir hinterhergeklettert kamen.
    Was wir zu sehr fürchten, führen wir oft dadurch erst recht herbei.
    Die Biester waren schon fast im Norden der Baumgruppe verschwunden, als sie abrupt kehrtmachten. Schattenhafte, unheilvolle Gestalten umströmten meinen Baumstamm wie eine hohe Welle, die eine im Meer aufragende Klippe umspült.
    Sobald das letzte Biest eingetroffen war, verstummte das Geräusch knisternden Laubs. Auch die Kreaturen selbst verstummten wie ein Ungeheuer, das sich unter dem Bett eines Kindes versteckt und es durch sein perfektes Schweigen dazu bringt, sich über die Kante zu beugen und darunterzuschauen.
    Ich war allerdings nicht versucht, mich sicher zu fühlen. Sie hatten mich gefunden.

13
    Auf einem Baum zu hocken war nicht so hoffnungslos wie in einer Futterkiste festzusitzen. Weil ich Letzterer entkommen war, glaubte ich, womöglich auch die Belagerung auf der Eiche überstehen zu können.
    Da ich meist arbeitslos gewesen war, seit ich Pico Mundo verlassen hatte, und nun auch noch wurzellos geworden war, hatte ich keine Krankenversicherung. Deshalb bemühte ich mich, nicht nur zu überleben, sondern auch grässliche Entstellungen zu vermeiden, deren Beseitigung das bankrotte Sozialsystem nicht bezahlen könnte, weshalb ich gezwungen wäre, mein restliches Leben im Keller eines Opernhauses zu verbringen. Für die Oper habe ich mich nämlich nie besonders interessiert, und Jazzklubs haben für gewöhnlich keinen Keller.
    Im Freien wurde mir von dem um die Eiche versammelten Gestank der Meute nicht so rasch übel wie im Stall, aber ich kniff mir trotzdem die Nase zu und atmete durch den Mund. Das Aroma war schlimmer als das von saurem Schweiß und fauligem Atem; offenbar besaßen die Biester spezielle Drüsen wie Stinktiere, bloß dass diese ihr Sekret nur bei Gefahr versprühten, während es meinen Verfolgern offenbar allzeit aus jeder Pore drang.
    So angestrengt ich auch hinunterspähte, ich konnte nicht erkennen, was für Körper und Gesichter die unter mir versammelten Kreaturen hatten, die wahrscheinlich zu mir heraufschauten.

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