Schwarze Fluten - Roman
kommen sehen. Er flatterte zu Boden und fiel über die Biester dort her, die vor Entsetzen quietschten.
Ich griff mit der rechten Hand nach dem Ast über mir und schwang mich leicht hin und her, um wieder Fuß zu fassen. Dabei bereitete ich mich innerlich darauf vor, dass eines der riesigen Flügelwesen durch die Äste flatterte, um mir ein Stück von meinem Gesicht herauszureißen … Ich fand mit den Füßen wieder Halt, ohne zu erwarten, dass es lange dabei blieb. Aber während ich zitternd dem Tumult und dem Kreischen unter mir lauschte, wagte ich allmählich zu hoffen, dass der geflügelte Schwarm da unten genügend zu fressen fand.
Leider kam mir bald eine TV -Sendung über Fledermäuse in den Sinn, die ich einmal gesehen hatte. Unter anderem hatte man eine Art mit gekrümmten, rasiermesserscharfen Schneidezähnen gezeigt, und eine andere Art, die so scharfe, hakenförmige Klauen besaß, dass sie Fische aus dem Wasser ziehen und damit davonfliegen konnte. Das war mal wieder ein Beweis dafür, dass Naturfilme genauso gut Albträume hervorrufen können wie jeder blutrünstige Monsterstreifen.
Schlagartig verging die Dunkelheit, und Morgenlicht strömte wieder auf mich herab. Es stieß durch die Äste bis auf den Boden vor und schwemmte die Kreaturen, die mit der unnatürlichen Nacht gekommen waren, davon, als hätten sie nie existiert. So weit ich sehen konnte, erwartete mich nichts Totes oder Lebendes da unten auf dem Teppich aus trockenem Laub.
14
Ganz in Weiß sah die mächtige Gestalt von Mr. Shilshom so aus, als hätte sie wie ein Schiff mit geblähten Segeln überall dorthin gleiten können, wohin der Wind sie trieb. Allerdings war es in der Küche völlig windstill, und der Koch war damit beschäftigt, das Häufchen Augen auf dem Schneidebrett neben der Spüle zu vermehren. Dort blendete er nämlich mehrere Pfund Kartoffeln, bevor er sie schälte.
Der Morgen hatte mich erschöpft, vor allem, da ich bisher nichts verzehrt hatte als ein Croissant. Ich musste auftanken. »Sir«, sagte ich, »ich will Sie zwar nicht stören, aber Roseland verlangt mir heute allerhand ab. Ich könnte ein paar Proteine brauchen.«
»Mmmmm«, sagte er und deutete auf ein Kuchengitter mit einer warmen Quiche und auf einen frischen Käsekuchen, auf den er gerade erst Zitronenglasur aufgetragen hatte.
Da ich die Erlaubnis erhalten hatte, mich in der Küche nach Belieben zu versorgen, hätte ich mir ein Schinkensandwich machen oder nach kalter Hühnerbrust suchen können. Stattdessen schnitt ich mir ein Stück Quiche und ein Stück Käsekuchen ab und goss mir ein Glas Milch ein.
Ich mache mir keine Sorgen um meinen Cholesterinspiegel. Angesichts meiner merkwürdigen Gabe und der begrenzten Lebenserwartung, die damit verknüpft sein dürfte, werden meine Arterien an meinem Todestag so blütenrein sein wie die eines Neugeborenen, selbst wenn ich bei jeder Mahlzeit nichts anderes als Eiskrem verzehren sollte.
Ich schwang mich auf einen Hocker, der an einer der beiden Kücheninseln stand, und beobachtete den Koch dabei, wie er die Unreinheiten der Kartoffeln mit einer Intensität beseitigte, die ein wenig beunruhigend war. Er hatte die Zungenspitze zwischen die Zähne geklemmt, seine dicken Backen waren rosiger als sonst, und seine Augen waren verächtlich zusammengekniffen. All dies und die feinen Schweißperlen auf seiner Stirn schienen darauf hinzudeuten, dass er in seiner Fantasie die Augen von etwas ausschnitt, das lebendiger war als Kartoffeln.
Anfangs waren meine Versuche, dem Koch Informationen zu entlocken, relativ subtil gewesen. Diese Strategie hatte keinerlei Erfolg gehabt. Als ich vorhin das Croissant verzehrt hatte, war ich ein wenig deutlicher geworden. Damit hatte ich ihn zwar nicht so sehr aus der Ruhe gebracht, als dass er auch nur ein einziges Geheimnis verraten hätte, aber immerhin war klar geworden, wie er zu mir stand. Sein Spiegelbild im Fenster hatte unverhohlene Feindseligkeit ausgedrückt.
Nachdem ich mein Stück Quiche zur Hälfte verzehrt hatte, sagte ich: »Sir, erinnern Sie sich daran, dass ich Sie nach dem Pferd gefragt habe, das ich manchmal sehe?«
»Mmmmm.«
»Ein schwarzer Hengst, ein Friese.«
»Wenn Sie meinen.«
»Da Mr. Wolflaw keine Pferde hält, dachte ich, er gehört vielleicht einem Nachbarn, und Sie meinten, das könnte stimmen.«
»Na also.«
»Aber ich frage mich, Sir, wie das Pferd durchs Tor gekommen ist. Dort sitzt doch ein Wachmann.«
»Tja, wie wohl?«
»Vielleicht
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