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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Obergeschoss. Ich missbrauchte also das mir gewährte Privileg, zögerte jedoch nicht, das zu tun. Ich bin, wie ich finde, zwar kein richtig schlechter Mensch, aber ungezogen bin ich manchmal doch.
    Da Paulie Sempiterno, der Chef der Wachmannschaft, gerade erst den Wunsch geäußert hatte, mir eine Kugel in den Kopf zu schießen, konnte die Verletzung von Mr. Wolflaws Privatsphäre leicht zu etwas Schlimmerem führen als zu einem strengen Vortrag über gute Manieren. Deshalb war Vorsicht angebracht.
    Als hätte der Gedanke an Sempiterno den Kerl herbeigezaubert, hörte ich seine raue Stimme hinter mir. Sie drang durch eine der geschlossenen Türen im Westflügel, der sich zu meiner Rechten befand.
    Eine zweite Stimme erklang, besorgter und weniger wütend als die des Sicherheitschefs. Sie gehörte unzweifelhaft Mr. Shilshom, der offenbar nicht in seine kleine Wohnung im Erdgeschoss gegangen war, um seine Medizin zu holen.
    Eine dritte Stimme, leiser als die beiden anderen, war wohl die von Noah Wolflaw. Seine Schlafzimmersuite befand sich im Westflügel.
    Ich hörte nur die lauteren Worte, doch der Tenor der Unterhaltung war eindeutig aggressiv. Wahrscheinlich wollte Sempiterno mich in einen Holzhäcksler stopfen, Shilshom wollte mich mit Zwiebeln und Möhren rösten, bevor er mich den gelbäugigen Biestern, die durch Roseland schlichen, als Friedensopfer darbot, und Wolflaw konnte sich nicht überwinden, einer dieser beiden Methoden zuzustimmen, weil er aus Gründen, die er selbst nicht erklären konnte, noch immer von Annamaria verzaubert war.
    Obwohl ich versucht war, an der Tür zu horchen, zogen mich meine Vorsicht und mein Magnetismus von den Stimmen fort. Ich ging durch den Südflur, in dessen erster Hälfte sämtliche Türen nach rechts abgingen. Dabei hielt ich mich auf dem Teppichläufer und bewegte mich möglichst leise, dankbar dafür, dass die meine Füße leitende Kraft mich nie dazu zwang, in einen lebhaften Tanzschritt zu verfallen.
    Kurz bevor der Südflügel auf das südliche Ende des Ostflügels traf, fühlte ich mich von einer Tür zu meiner Rechten angezogen. Ich legte die Hand auf den Knauf und lauschte, hörte jedoch keinen Laut.
    Ohne groß zu überlegen öffnete ich die Tür und befand mich in einem Wohnzimmer, das wohl zu einem Apartment gehörte. In einem Lehnsessel saß ein Junge mit weit geöffneten, völlig weißen Augen. Offenbar hatte der graue Star ihn blind gemacht.

15
    Als der Junge keinerlei Reaktion auf mein Erscheinen zeigte, schloss ich leise die Tür zum Flur und ging ein paar Schritte in den Raum hinein.
    Die Hände des Jungen lagen nach oben gewandt auf seinem Schoß, die Lippen waren leicht geöffnet. So reglos, so still. War er tot oder lag im Koma?
    Das Wohnzimmer und der damit verbundene Schlafraum, den ich durch eine offene Tür sah, waren nicht nach dem Geschmack eines acht- oder neunjährigen Kindes möbliert und dekoriert. Die Decke war mit Stuckmedaillons aus stachligen Pfeilbündeln geschmückt, an den Wänden hingen Teppiche mit Jagdszenen und üppigen Bordüren. Die Möbel waren im englischen Stil gehalten, auf Tischen und Konsolen standen zahlreiche Bronzen von Jagdhunden, auf dem Boden lag ein Perserteppich in reichen Gold-, Rot- und Brauntönen. Alles drückte eine entschieden maskuline Atmosphäre aus, die besser zu einem erwachsenen Mann mit einem Faible für die Jägerei gepasst hätte als zu einem kleinen Jungen.
    Die schweren Vorhänge vor den Fenstern waren zugezogen. Für Licht sorgten eine Tischlampe neben dem Sofa und eine Stehlampe neben dem Sessel, beide mit seidenem Plisseeschirm. In den Ecken sammelten sich Schatten, doch ich war mir sicher, dass der Junge allein war.
    Ich trat auf ihn zu, ohne eine Reaktion hervorzurufen. Dann stand ich da, musterte ihn unschlüssig.
    Die Linsen der schrecklich leeren Augen waren so stark getrübt, dass darunter nicht einmal mehr eine Andeutung von Iris und Pupille erkennbar war. Offenbar war der Junge völlig blind.
    Ich hörte ihn zwar weder ein- noch ausatmen, doch seine Brust hob und senkte sich leicht. Sein Atem ging langsam und flach.
    Von den gespenstischen Augen abgesehen, war es ein hübscher Junge mit klarer, bleicher Haut, dichtem, dunklem Haar und feinen Gesichtszügen, die ahnen ließen, dass aus ihm einmal ein gut aussehender Mann werden würde. Vielleicht war er ein wenig klein für sein Alter; jedenfalls wirkte er so in dem riesigen Sessel, da seine Füße nicht bis zum Boden reichten.
    In seinen

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