Schwarze Fluten - Roman
Thomas!«
»Jawohl, Sir.«
»Ich habe keine Ahnung, wieso ich sie hierher geholt habe. Es war völlig irre. Unverantwortlich. Auf jeden Fall habe ich kein Interesse an ihr. Ich habe Paulie zwar gesagt, ich hätte vielleicht eines, aber das war nur eine Ausflucht, weil mir sonst kein Grund eingefallen ist. Er weiß schon, dass sie nicht mein Typ ist.«
»Mr. Sempiterno ist sehr scharfsichtig.«
»Klappe!«
»Jawohl, Sir. Morgen sind wir fort«, versprach ich.
»Ich habe kein Interesse an ihr«, sagte er mehr zu sich selbst als zu mir. »Sie ist widerwärtig, abstoßend und aufgebläht wie eine Kuh. So was bringt doch bei keinem Mann die Säfte zum Fließen! Ich will nichts mit ihr zu tun haben, und das bleibt auch so.«
»Morgen sind wir fort«, wiederholte ich.
Er sah mich wieder an. Sein zu kleiner Mund verzog sich vor Abscheu, als wäre ich etwas, das er noch nicht mal an der Sohle seines Schuhs vorfinden wollte, geschweige denn direkt vor seiner Nase. »Du hast Henry Lolam gesagt, du hättest den Kerl getroffen, der sich Kenny nennt. Den hat jahrelang niemand mehr gesehen. Und zu Shilshom hast du gesagt, du hättest Bären mit gelben Augen gesehen.«
»Nicht unbedingt Bären, Sir. Bloß irgendetwas.«
Wieder blickte er sich prüfend um. Trotz seines harten, aber wohlgeformten Gesichts und seiner stählernen Augen sah er nicht mehr so stark aus wie zuvor, weil ein Zittern um seinen Mund spielte.
»Hast du welche von denen bei hellem Tageslicht gesehen?«
»Nein, Sir«, log ich.
»Nacht ist Nacht, der Tag ist ganz was anderes.« Er starrte mich an. »Du gehst den Leuten ständig auf die Nerven, versuchst immer, was aus ihnen rauszukriegen, lässt nie locker.«
»Ich bin einfach von Natur aus neugierig, Sir. War ich schon immer.«
»Klappe!«
»Jawohl, Sir.«
»Hier geht dich absolut nichts was an. Hast du mich verstanden, Thomas?«
»Ja, Sir. Tut mir leid. Ich habe Ihre Gastfreundschaft missbraucht.«
Seine gerunzelten Augenbrauen waren fast noch eindrucksvoller als sein drohender Blick. »Soll das etwa komisch sein?«
»Nein, Sir. Wenn ich tatsächlich komisch sein will, dann ist es schwer, nicht loszulachen.«
»Wenn ich sage, du sollst die Klappe halten, dann meine ich das auch. Klappe!«
»Jawohl, Sir.«
»Bis ihr morgen abhaut, bleibt ihr im Gästeturm.«
In Anbetracht der Schrotflinte nickte ich.
»Ihr bleibt im Turm, verschließt die Türen, verschließt die Fenster, zieht die Vorhänge zu und wartet schön bis zum Morgen.«
Ich nickte.
Er sah, dass ich auf seine Flinte starrte, und merkte verspätet, dass eine Erklärung dafür nötig war. »Dachte, ich gehe mal ein halbes Stündchen Tontauben schießen«, sagte er.
Er drängte sich auf dem gepflasterten Weg an mir vorbei, und ich ging auf die Tür des Turms zu.
»Noch etwas«, hörte ich es hinter mir sagen.
Als ich mich umdrehte, freute ich mich, dass die Mündung der in seinem Arm liegenden Flinte weiterhin auf den Boden gerichtet war.
»In euren Zimmern ist zwar kein Telefon, aber du hast wahrscheinlich ein Handy. Ich will dir klar und deutlich sagen, dass es hier nichts gibt, wofür die Polizei sich interessieren könnte. Kapiert?«
Ich nickte. Ein Handy besaß ich allerdings nicht, da ich nie das Bedürfnis verspürte, Videospiele zu spielen, im Internet zu surfen oder mit irgendjemandem Nacktfotos auszutauschen.
»Ich habe gute Beziehungen zur hiesigen Polizei«, fuhr Wolflaw fort. »Bessere Beziehungen, als du sie zu deinem Schniedel hast. Ein paar von den Leuten da waren früher hier bei der Wachmannschaft. Ich habe viel für sie getan. Genauer gesagt, habe ich mehr für sie getan, als du dir vorstellen kannst, und ich kann dir versichern, dass sie gar nicht begeistert wären, wenn irgendein nutzloser Herumtreiber mich anschwärzen will. Ist das klar?«
Ich nickte.
»Sag mal, bist du plötzlich taubstumm geworden?«
»Ich habe verstanden, Sir. Das mit der Polizei. Wir bleiben im Turm, verschließen die Türen, verschließen die Fenster, ziehen die Vorhänge zu, rufen weder die Polizei noch die Feuerwehr, selbst wenn der Turm abbrennt, sondern warten einfach bis morgen früh, und sobald die Sonne aufgeht, marschieren wir schnurstracks durchs Tor.«
Mit verächtlich gespitztem Mund starrte er mich drohend an. Womöglich ging er bald doch dazu über, mich Odd statt Thomas zu nennen, denn er sagte: »Du bist wirklich ein absoluter Volltrottel.«
»Jawohl, Sir. Ich werde Annamaria sagen, dass Sie dieser Meinung
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