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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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tauten einfach nicht auf. Sie weigerten sich, die Erinnerung an die Meute loszulassen.
    Auf einer weiter entfernten Kuppe tauchten die Kreaturen wieder auf. Sie waren nun so weit weg, dass sie wie ein Trugbild wirkten. Als sie im hohen Gras verschwanden, sah es aus, als würden sie sich in der Luft auflösen.
    Obwohl sie aufgrund des Abstands nicht deutlich zu erkennen gewesen waren, hatte ich doch genug gesehen, um mir ein ungefähres Bild zu machen. Sie hatten lange, flache Köpfe und stumpfe, fleischige Schnauzen. Sie waren aufrecht gegangen, fast gelaufen, waren jedoch keine primitiven Tiere, die in der Lage gewesen wären, sich auf weniger als vier Beinen fortzubewegen. Nur Primaten konnten sich so aufrichten – Menschen, Schimpansen, Gibbons, andere Affen. Allerdings gehörten diese Wesen zu keiner dieser Arten. Zudem glaubte ich, kurze, spitze Stoßzähne gesehen zu haben, die sich dunkel von den bleichen Gesichtern abhoben, scharfe Hauer, um zu verwunden und zu zerfleischen. Mir kamen Wildschweine in den Sinn. Ja, wie eine Schweinerasse sahen sie aus, deren Körper sich grob an die Gestalt von Primaten angepasst hatte. Ihre Gesichter waren verzerrt gewesen und regelrecht krank vor Gewalt. Zweifellos wurden die missgestalteten, buckligen Individuen deshalb akzeptiert, weil jedes Mitglied des Rudels, entstellt oder nicht, in dem einen oder anderen Grade ein Gräuel darstellte.
    Auf der nächsten Kuppe tauchten sie nicht wieder auf, als hätten sie sich entmaterialisiert, wie es Geister manchmal tun. Es waren jedoch weder Geister noch Produkte meiner Fantasie. Egal, ob sie nun in Roseland hausten oder Besucher waren, die durch ein unsichtbares Tor zwischen diesem und einem anderen Reich ankamen und wieder verschwanden, ich musste ihnen um jeden Preis aus dem Weg gehen. Sie waren scheinbar immer in Bewegung und wie Haie ständig auf Nahrungssuche. Vielleicht konnten sie selbst dann Blut riechen, wenn es noch in den Adern ihrer Beute zirkulierte.

19
    Ich beschloss, meinen Besuch im Mausoleum aufzuschieben. Deshalb ging ich über den Hang zurück, durch die Bäume, unter denen ich kein einziges Blatt zermalmte, und über die rechteckige Rasenfläche, vorbei an dem noch nicht zermalmten Enkelados.
    Wenn ich an diesem Tag sterben musste, was mir immer wahrscheinlicher vorkam, so befand sich etwas in meinem Zimmer, was ich mit in den Tod nehmen musste.
    Am Eukalyptuswäldchen angekommen, eilte ich den Steinweg entlang und erreichte den Turm gerade in dem Augenblick, in dem Noah Wolflaw ihn verließ. Ich weiß nicht, wer von uns beiden erschrockener aussah, aber er war der Einzige von uns, der eine Schrotflinte in der Hand hatte.
    Unter normalen Umständen, falls es in Roseland überhaupt je welche gab, musste Wolflaw wie ein ruhender Vulkan wirken, so fest und unerschütterlich wie ein von Wolken umhüllter Berg. Er besaß eine Kraft, die jederzeit ausbrechen konnte. Diese Energie war es wohl, die ihn zu einem derart erfolgreichen und wohlhabenden Mann gemacht hatte.
    Groß, grobknochig und mit Muskeln, die an den Knochen saßen wie ein Panzer, war er selbst dann imposant, wenn er keine kurzläufige Flinte mit Pistolengriff dabei hatte. Seine Gesichtszüge waren kühn und kantig, die grauen Augen lagen tief in vollkommen elliptischen Höhlen, die Nase war ein mächtiger, gleichschenkliger Keil, und von dem vorspringenden Kinn stiegen die Wangenknochen auf wie Pfeiler. Sein dichtes, dunkles Haar war eine Mähne, um die ihn jeder Hengst oder Löwe beneidet hätte. Nur der Mund, der volle Lippen hatte und doch merkwürdig klein aussah, ließ ahnen, dass sich im Innern dieses starken Mannes womöglich ein allzu schwaches Gegenstück befand.
    »Thomas!«, stellte er fest, als er mich sah.
    Er redete mich nicht deshalb so an, weil er sich herrisch weigerte, mir den Titel Mister zuzugestehen, sondern weil er meinen Vornamen so merkwürdig fand, dass er sich unwohl fühlte, wenn er ihn verwendete. Als wir uns kennengelernt hatten, da hatte er mir mitgeteilt, er werde meinen Nachnamen als Vornamen verwenden, weil er sich bei »Odd« so fühle, als würde er mich anspucken. Da er mir nicht besonders empfindsam vorkam, lag das wohl daran, dass er in Gegenwart Annamarias, die alle, auf die sie traf, verzauberte, untypisch höflich wurde.
    Wolflaws Schrotflinte beunruhigte mich fast ebenso sehr, wie es die Begegnung mit den Primatenschweinen getan hatte. Wenigstens bedrohte er mich nicht damit, wie ich es fast erwartet

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