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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Blütenblätter ihn so reflektierten, dass er Annamarias Gesicht erleuchtete. Dadurch wurde das Auge getäuscht, und es sah aus, als würde das Licht aus ihrem Innern kommen.
    Sie lächelte und sagte: »Ich habe sie vom Baum gepflückt.«
    »Der Baum steht doch in Magic Beach.«
    »Der Baum ist hier, Oddie.«
    Ich hatte nur ein einziges Mal einen Baum mit solchen Blüten gesehen, halt jenes namenlose Exemplar in Magic Beach. Es hatte große schwarze Äste, die sich weit ausbreiteten, und achtlappige Blätter.
    »Hier in Roseland? Also, ich bin überall gewesen und habe keinen Baum mit solchen Blüten gesehen.«
    »Tja, der ist genauso hier, wie du es bist.«
    Vor kaum einer Woche hatte sie ein Kunststück mit einer solchen weißen Blüte vorgeführt. Ihr einziges Publikum, eine Frau namens Blossom, mit der ich Freundschaft geschlossen hatte, war davon ganz begeistert gewesen. Nun hatte sie damit offenbar auch Noah Wolflaw beeindruckt, wenngleich die Vorführung ihn im Gegensatz zu Blossom wohl eher verstört hatte.
    »In Magic Beach hast du versprochen, mir mit einer solchen Blüte mal etwas zu zeigen.«
    »Das werde ich auch tun. Etwas, woran du dich immer erinnern wirst.«
    Ich zog den Stuhl, auf dem ich das letzte Mal gesessen hatte, unter dem Tisch hervor.
    Bevor ich mich darauf niederlassen konnte, hob sie die Hand. »Nicht jetzt.«
    »Wann dann?«
    »Alles zu seiner Zeit, du komischer Kauz.«
    »Das hast du schon einmal gesagt.«
    »Und das sage ich jetzt wieder. Du musst dich dringend um etwas kümmern, glaube ich.«
    »Stimmt. Ich habe den, der mich braucht, gefunden. Es ist ein Junge, der mir seinen Namen nicht nennen will. Ich glaube, er ist tatsächlich ihr Sohn … falls dir das etwas sagt.«
    In ihren großen dunklen Augen leuchtete das Spiegelbild der Blüten in der Schale. »Du hast keine Zeit für eine Erklärung, und ich brauche keine. Tu einfach, was du tun musst.«
    Etwas stupste mich an der Hand, und als ich nach unten schaute, sah ich, dass Boo sich materialisiert hatte. Er fühlte sich so körperhaft an, wie alle Geister sich für mich anfühlen. Seine Zunge war warm, als er mir die Finger leckte, doch meine Hand wurde nicht nass.
    »Und denk dran, was ich dir vorhin gesagt habe«, fuhr Annamaria fort. »Falls du daran zweifeln solltest, dass dein Handeln richtig ist, dann kannst du hier in Roseland sterben. Zweifle nicht an der Schönheit deines Herzens.«
    Ich begriff, weshalb sie mich mit diesen Worten warnte. Wenige Tage zuvor war ich in Magic Beach in eine Kette von Ereignissen verwickelt worden, bei denen ich fünf an einem geplanten Terroranschlag beteiligte Menschen hatte töten müssen. Darunter hatte sich eine wunderschöne junge Frau mit großen klaren blauen Augen befunden. Wenn ich diese Leute nicht getötet hätte, dann wären Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen Menschen ermordet worden, ich eingeschlossen. Zu töten, besonders diese Frau, hatte jedoch einen dunklen Schatten in mir hinterlassen, und ich ekelte mich vor mir, obwohl es zur Selbstverteidigung geschehen war.
    Deshalb habe ich euch anfangs übrigens erzählt, ich sei in gedrückter Stimmung gewesen, nicht so heiter und immer bereit, in jedem Moment etwas Humorvolles zu finden, wie ich es sonst gewesen war. Dies scheint mir auch der Grund gewesen zu sein, weshalb ich von Auschwitz geträumt hatte und davon, zweimal zu sterben.
    »Der Junge braucht dich«, sagte Annamaria.
    Nachdem ich einen letzten Blick auf die Blumen in der Schale geworfen hatte, ging ich zur Tür.
    »Junger Mann!« Als ich zu Annamaria zurückblickte, sagte sie: »Vertrau darauf, dass das, was du tust, gerecht ist, und komm wieder. Du bist mein einziger Beschützer.«
    Der Golden Retriever und der weiße Schäferhundmischling starrten mich an. Keiner der beiden wedelte mit dem Schwanz. Der Prediger Henry Ward Beecher hat einmal gesagt: »Der Hund wurde besonders für die Kinder geschaffen. Er ist der Gott der Ausgelassenheit.« Dieser Beobachtung stimme ich zu, aber Hunde betrachten dich manchmal mit einem so ernsten Blick, wie man ihn nicht oft auf dem Gesicht eines Menschen, geschweige denn eines Tieres sehen kann. Es ist, als wären sie mitunter in der Lage, in die Zukunft zu schauen und etwas zu sehen, was sie um dich fürchten lässt.
    Ich verließ das Apartment, zog die Tür zu, holte den Schlüssel aus meiner Tasche und schloss Annamaria sicher ein.

21
    Nachdem ich den Gästeturm verlassen hatte, wurde mir bewusst, dass auch im

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