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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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die Sie doch befreien, Henry. Lassen Sie mich rein! Dann sprechen wir darüber.«
    Sein Gesicht verhärtete sich zu einem Hass, den ich noch nie an ihm gesehen hatte. »Du … bloß … Dicker.«
    Ich erinnerte mich, dass auch Victoria Mors mich einen dämlichen Dicken genannt hatte, als sie von mir geknebelt worden war. Offenbar hatte Henry ebenfalls einen Knick in der Optik.
    Die Meute war noch knapp hundert Meter weit entfernt, trottete inzwischen jedoch schneller. Die meisten Biester trugen tatsächlich zerlumpte, schmutzige Kleidung, offenbar nicht aus Schamhaftigkeit oder als Schutz vor der Kälte, sondern als Schmuck. Eines hatte eine Art Kopftuch umgebunden, ein anderes sich ein Stück Stoff um den Arm geschlungen. Ein drittes trug mehrere Halsketten aus geflochtenem Stoff, ein viertes einen Gurt aus Schlingen und Quasten um die Taille.
    Es lag was in der Luft: Ozon. Sie schimmerte wie an einem heißen Sommernachmittag, wenn Schwaden von dem erhitzten Straßenpflaster aufsteigen. Dabei war es ein ganz normaler kalifornischer Februartag mit mildem, ein wenig kühlem Wetter.
    Obwohl die anrückenden Kreaturen brutal genug aussahen, um mit ihren Händen, Hauern und Zähnen töten zu können, trugen manche von ihnen Waffen. Besonders beliebt waren offenbar armlange Rohre, die mit Kordeln am Handgelenk befestigt waren, aber ich sah auch eine Sichel. Eine Hacke. Eine Sense. Ein Beil. Hilfe .
    Inzwischen grunzten sie im Chor. Organisierter als vorher, kamen sie mit vorgereckten Köpfen den Weg entlang wie eine albtraumhafte Armee, wie Orks aus Mordor, und da war kein Zauberer, der mir geholfen hätte, sie abzuwehren. Große, muskulöse Körper, auf denen einzelne Büschel aus weißen und grauen Haaren wuchsen. Die meisten hatten schweineähnliche Visagen mit wölfischem Grinsen, bei anderen war das Gesicht asymmetrisch, die Augen in verschiedener Höhe, der Schädel von irregulärem Knochenwachstum übel deformiert. Die Glieder von Armen und Beinen waren zu lang und mit schief aussehenden Gelenken verbunden. Hier hatten alle Formen der Gewalt einen materiellen Ausdruck gefunden in tierhaften Wesen, die doch nicht nur Tiere waren, denn ihre unerbittliche Aggressivität ließ sie beunruhigend menschlich wirken.
    Die Luft zwischen uns, ja ganz um mich herum, zitterte wie von Hitze gefoltert, und ich dachte schon, die Meute würde sich darin auflösen wie ein Trugbild. Doch dann zogen die Schwaden sich in die Erde zurück, die Luft stabilisierte sich, und die Biester waren so nah, dass ich sie riechen konnte.
    Ich sprang in das Elektromobil, löste die Bremse und floh.

31
    Der Elektromotor beschleunigte das Gefährt ein wenig schneller als ein arthritischer Großvater, der sich aus seinem Lieblingssessel erhebt. Zwischen Pförtnerhaus und Tor bog ich nach links ab, und während ich in südlicher Richtung über eine breite Rasenfläche raste, sah ich mich nach fünfzig Metern um. Die Biester verfolgten mich noch immer, kamen jedoch nicht näher. Als ich mich nach weiteren fünfzig Metern wieder umblickte, waren sie deutlich zurückgefallen.
    Der makellose Rasen ging in natürliches Gelände über. Ich rollte etwa zweihundert Meter weit einen leichten Abhang hinauf. Vor mir hüpften und flogen verschiedenartige Insekten aus dem hohen Gras auf wie erschrockene Passanten, die einem betrunkenen Fahrer auswichen.
    Oben angekommen, wandte ich mich nach Osten, um eine Gruppe Eichen zu umrunden. Ich blickte zurück und sah, dass die Biester mich nicht durch die Wiese verfolgt hatten. Sie marschierten jetzt auf das Haupthaus zu.
    Statt aus meinem Fahrzeug zu springen und eine Siegesrunde darum zu drehen, fuhr ich in südöstlicher Richtung weiter. Ich wollte den gepflegten Teil des Anwesens in einem großen Bogen umfahren und zum Gästeturm zurückkehren, um nachzuschauen, ob Annamaria von den Schweinen belagert wurde.
    Auf dem buckligen Gelände sorgten die großen Reifen und die offenbar den Erfordernissen angepasste Federung dafür, dass ich mich wie in einem Boot fühlte, das einen Wellenkamm nach dem anderen erklomm, auf der anderen Seite abwärts und dann durch ein Tal auf die nächste Welle zufuhr.
    Ein Stück weiter rollte ich durch ein Tälchen und suchte nach dem leichtesten Weg den nächsten Hang hinauf, der an manchen Stellen dicht mit Gestrüpp bewachsen und an anderen felsig war. Plötzlich kräuselte sich das Gelände ringsum vertikal, als würden wieder Hitzeschwaden daraus aufsteigen, obwohl die Luft kühl

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