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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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blieb.
    Paulie Sempiterno und Mrs. Tameed hatten von Wellen und einer vollen Flut gesprochen. Damit hatten sie nicht das Meer gemeint, sondern dieses Phänomen!
    Während ich die Augen zusammenkniff und mich gegen die in mir aufsteigende Übelkeit wehrte, veränderte sich die Qualität des Lichts, wenn auch nicht so dramatisch wie am Morgen, als es innerhalb kurzer Zeit Nacht geworden war. Das bleiche Gras nahm eine tiefgoldene Färbung an, die silbrigen Kräuter wurden dunkler. Flüchtige Schatten schwollen an, nahmen ab, schwollen erneut an und glitten dabei über das Land.
    Ich nahm den Fuß vom Gas, bremste und blickte zögernd nach oben.
    Einen Moment lang sah ich wieder den gelben Himmel, der mir mehr Angst machte als die Primatenschweine. Das war nicht einfach nur der irdische Himmel im Kampf mit Armageddon. Der Begriff Apokalypse bedeutet Enthüllung oder Offenbarung, und dies war ein apokalyptischer Himmel in dem Sinn, dass er offenbarte, was die Menschheit durch ihre Arroganz und ihre fahrlässige Selbstsicherheit über sich bringen würde.
    Die zitternden Schwaden, die den fürchterlichen Himmel erzeugt hatten, verliefen sich schimmernd, und der Himmel wurde wieder weitgehend blau. Im Norden lag bedrohlich eine Armada aus gewöhnlichen Gewitterwolken, die schon den ganzen Vormittag dort gewartet hatten, als lägen sie vor Anker.
    Der feindliche gelbe Himmel war genauso wenig ein Produkt meiner Fantasie, wie ich nicht geträumt hatte, durch die Tür des Baubüros in eine Zeit vor der Erbauung von Roseland zu treten. Beide Momente waren so real gewesen wie der warme Speichel, den Victoria Mors mir ins Gesicht gespuckt hatte.
    In dem Tälchen zwischen zwei Hügeln saß ich in einem Elektromobil und wartete, bis mein Herzschlag sich beruhigt hatte. Normalerweise kann ich die vorhandenen Indizien problemlos zu einer Theorie verknüpfen, während ich auf den Beinen bin und allem ausweiche, was auf mich geschleudert wird, aber in diesem Fall brauchte ich einen Moment Ruhe, um dafür zu sorgen, dass ich keinen falschen Knoten band.
    Die massive Mauer rund um Roseland, die vielleicht eine ähnlich fantastische Maschinerie enthielt, wie ich sie in den Kellern des Mausoleums gesehen hatte, isolierte das Anwesen nicht nur physisch, sie grenzte es auch auf andere Weise ab. Es war eine Insel des Irrationalen im Meer der alltäglichen Realität.
    Was immer die Absicht gewesen war, mit der man Roseland geschaffen hatte, die unheilvollen Ereignisse dieses Augenblicks waren Begleiterscheinungen, die niemand erwartet hatte. Offenbar hatte man nachträglich Schritte unternommen, um sich dagegen zu wappnen, hatte die Fenster vergittert oder stählerne Schutzplatten eingebaut, hatte Waffen und Munition gehortet.
    Wahrscheinlich stellten die Biester nur selten eine Bedrohung dar, aber wenn sie auftauchten, herrschte Chaos. Um damit leben zu können, mussten die Bewohner von Roseland glauben, der Nutzen des Systems sei es wert, nachts immer auf der Hut zu sein und sich gelegentlich dem Angriff von Kreaturen auszusetzen, die weniger hierher zu gehören schienen als an einen anderen Ort in einer anderen Zeit.
    Ich glaubte zu wissen, worin dieser Nutzen bestand und weshalb sie nicht einfach den Hauptschalter umlegten, um die tödliche Bedrohung durch die Biester zu beseitigen.
    Und ich ahnte, dass dieser Nutzen zugleich ein Fluch war. Er hatte die Leute hier davon überzeugt, sie seien allen, die nicht hierher gehörten, überlegen. Mehr noch, sie sahen sich als Götter und uns andere als Tiere.
    Männer und Frauen, die zu Gottheiten werden wollen, müssen zuerst ihre Menschlichkeit verlieren.
    Noah Wolflaws Morde und die Komplizenschaft der anderen kamen den Bewohnern von Roseland genauso wenig wahnsinnig und kriminell vor, wie ich mich für wahnsinnig und kriminell hielte, wenn ich einen Fisch angeln, ausweiden und zum Abendessen braten würde. Ich würde damit meinen Hunger stillen, und Wolflaw hätte wohl gesagt, er sättige nur einen etwas exotischeren Appetit. Aus seiner Sicht standen die Frauen, die er tötete, in der Rangordnung der Lebewesen so weit unter ihm wie für mich ein Fisch.
    Wolflaw hatte nicht einfach nur seine Menschlichkeit verloren. Er hatte sie vielmehr mit aller Kraft, die er aufbrachte, weggeworfen.
    Nachdem ich nach Annamaria geschaut hatte, musste ich herausbekommen, wer die Bewohner von Roseland wirklich waren. Auf jeden Fall waren sie entweder nicht das, was sie zu sein behaupteten, oder sie waren es

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