Schwarze Heimkehr
deiner Nase.
Croaker starrte auf den Stapel der Videos. Casablanca, Blade Runner, Der letzte Tango in Paris. Darunter schimmerte etwas Metallisches. Er schob die Videos zur Seite. Seine Finger krümmten sich um einen Griff, und er zog daran. Eine tiefe Schublade, in der Aktenhefter hingen, öffnete sich - Steuererklärungen, Rechnungen, Quittungen, Unterlagen über Kapitalanlagen. Er blätterte die Papiere durch, fand aber nichts Ungewöhnliches, wenn man davon absah, daß Majeur ein gutes Stück reicher war, als er es sich vorgestellt hatte. Sein Blick fiel auf ein Etikett, auf dem TELEFONRECHNUNGEN stand. Genau das, wonach er gesucht hatte. Das Haus hatte drei Telefonanschlüsse, was nicht überraschend war, wenn man den Beruf des Eigentümers in Betracht zog. Er fand die letzte Rechnung für die geheime Nummer des Mobiltelefons, die Majeur ihm gegeben hatte. Sie war an Majeur geschickt worden und enthielt einen Vermerk, daß sie mit einem Scheck beglichen worden war. Die Notiz enthielt die Schecknummer und eine Notiz, an welchem Tag der Betrag bezahlt worden war. Croaker studierte die beiden Monatsrechnungen davor. Wie die erste waren sie Marcellus Rojas Diego Majeur zugestellt und von ihm beglichen worden.
In der Maschine war ein Geist. Zumindest in einem Punkt hatte Antonio recht: Croaker wurde von allen angelogen. Sogar von Computern. Aber die waren unparteiisch und zeigten nur Daten, die von Menschen programmiert worden waren und geändert werden konnten.
Croaker war fast schwindlig. Nach den Unterlagen, die er gefunden hatte, kam Bennie nicht für die Rechnung von Majeurs, Mobiltelefon auf, wie es die Daten von Southern Bell behaupteten. Und das bedeutete, daß Bennie ihn hinsichtlich einer Bekanntschaft mit Majeur nicht angelogen hatte. Alles, was Croaker in den Diskettendateien über Bennie erfahren hatte, war ihm jetzt suspekt. Doch wenn Bennie nicht mit der ACTF zusammenarbeitete und das ganze Dossier über Sero von Antonio und Heitor angelegt worden war - was hatte Bennie dann heute um Mitternacht vor, jenem Moment, da Juan Garcia Barbacena in Miami eintreffen würde? Warum brauchte er die Captain Sumo?
Es war fast zweiundzwanzig Uhr, als Croaker vor Estrella Leyes’ Haus in El Portal vorfuhr. Durch die vorderen Fenster sah er das bläuliche Flackern des Fernsehers: Pablo Leyes sah fern.
Nebenan lag, dunkel und still, Sonias Haus. Croaker blieb eine Zeitlang neben dem nachts blühenden Jasmin stehen. Die weißen sternförmigen Blüten strahlten einen sinnlichen Duft aus. In dem dichten Dunkel schien er ein Bestandteil dieser Straße zu sein, der genauso zu den Häusern gehörte wie der alte Pampelmusenbaurn, der die Ostseite von Sonias Haus beschattete. Er lauschte dem Rascheln in den Wipfeln der Palmen, die sich im Nachtwind wiegten, und stellte sich vor, daß es sich dabei um den Klang von Sonias Stimme handelte. Er wollte ihr Lachen hören und sehen, wie ihre Augen im Kerzenlicht erglänzten. Er wollte die bestrafen, die ihr das Leben genommen hatten. Es schien festzustehen, daß es dieselben Männer gewesen waren, die Rachel krank gemacht hatten. Er wußte, daß der Augenblick kommen würde, da er Antonio und Heitor zum letztenmal begegnen würde. Er fühlte es wie einen Schmerz, der ihm tief in den Knochen saß. Dann würde es nicht mehr um halbherzige Maßnahmen gehen, von Kapitulation ganz zu schweigen. Es würde nur noch um Rache und Tod gehen.
Von diesen bedrückenden Gefühlen aufgeweckt, schritt Croaker durch den Lichtschein einer Straßenlaterne. Eine Heimkehr sollte nicht so viel Schmerz und Leiden mit sich bringen, dachte er.
Die Haustür der Leyes’ stand weit offen, so daß die schwache Brise das Innere durch die Fliegentür kühlen konnte. Der Krach aus dem Haus übertönte sogar das Summen des eifrigsten Insekts. Wenn man dem übertreibenden Reporter Glauben schenken konnte, war das hochgelobte argentinische Fußballteam auf dem Marsch an die Spitze. Eine Flamme bläulich schimmernden Lichtes, die so strahlend wie die Funken eines Schweißgerätes war, ergoß sich wie ein winkender Finger über die Veranda.
An der Fliegentür hing wie ein Tupfen Mörtel eine große Motte. Sie wurde unregelmäßig von einem Flecken des Mondlichtes beleuchtet. Ihre bleichen, gepunkteten Flügel schienen aus Rouge zu bestehen. Sie klebte absolut reglos an der Fliegentür, als würde sie zwischen dem Mondlicht und der Leere hängen. Croakers Schatten vertrieb die Motte, deren Umriß wie zwei
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