Schwarze Heimkehr
- ich weiß noch nicht, wovon er besessen ist. Aber er ist von mir angezogen.«
»Spielt keine Rolle, Sir. Sie werden sie umbringen‚« Majeur schien keine Zweifel zu haben. »Sie haben keine andere Wahl. Sie wissen zuviel und sind zu gefährlich für sie.«
»Ich weiß.« Croaker bemerkte, daß sie inzwischen allein im Umfeld des beleuchteten Swimmingpools waren. »Nur noch eines.«
»Ich habe Ihnen alles erzählt.«
»Nicht ganz. In welcher Beziehung stehen sie zu Estrella Leyes?« Es war weniger ein Schuß ins Dunkel als eine Ahnung. Die Patientenakten waren in Trey Merlis Haus Zwischen Hemden versteckt worden, die von der Reinigung gebracht worden waren, wo Estrella arbeitete.
»Sie haben tiefer geschürft, als ich vorhergesehen hatte«, sagte Majeur. »Estrella und ich sind zusammen aufgewachsen. Sie war wie eine ältere Schwester für mich. Aber während meine Interessen in der Geschäftswelt liegen, beschäftigt sie sich mit dem größeren Universum, das uns alle umgibt.«
»Sie meinen
Hetá I
.«
Majeur nickte. »Nachdem ich Stansky die Patientenakten gestohlen hatte, brauchte ich einen Ort, um sie verschwinden zu lassen. Estrella hat mir ihre Hilfe angeboten.«
»Ich habe sie kennengelernt.«, sagte Croaker. »Es ist offensichtlich, daß sie wegen der Bonitas beunruhigt ist.«
»Sie hat Angst vor ihnen. Das beschreibt es besser.« Croaker konnte Majeurs Gesichtsausdruck entnehmen, daß er sich um Estrella sorgte. »Sie hat die fürchterlichen Rituale gesehen, denen sie Menschen aussetzen. Man sagt, hat sie mir erzählt, daß die Zwillinge nicht aus einem menschlichen Uterus zur Welt gekommen seien. Nach dieser Geschichte wurden sie auf den Türstufen des Hauses einer sterbenden Mutter ausgesetzt. Selbst damals, als sie noch Kinder waren, waren sie zu schrecklichen Dingen fähig. Sie haben ihr Kind aufgefressen. Die Frau hat versucht, sie zu töten‚ aber sie wollten nicht sterben. Statt dessen haben sie sich an sie gehängt und vor Hunger und verzweifelter Not geweint. Indem sie regelmäßig an ihrer Brust gesaugt haben, haben sie sie geheilt. Durch eine Art gräßlicher Symbiose haben sie sich gegenseitig gestärkt. Bald hatte sie ihr eigenes Kind vergessen. Sie haben sie ihr Kind vergessen lassen. Sie hat sie aufgenommen und wurde zu ihrer Mutter.«
Croaker mußte fast lachen. »Jesus, sie glauben doch nicht an diesen Unsinn, oder? Es gibt auf der ganzen Welt Geschichten von bösen Geistern, Vampiren und allen möglichen Dämonen. Aber es sind eben nur Geschichten.«
Majeur zuckte die Achseln. »Bei diesem Thema bin ich neutral, Seňor. Ich kenne nur das Gesetz.« Er schenkte Croaker ein schwaches Lächeln, das irgendwie traurig wirkte. »Das Gesetz und die Tricks, wie man es umgeht.«
»Die Bonitas haben ihr Wissen über die Macht bei
Humaitá Milagros
erworben. Und dann haben sie dieses Wissen für ihre Zwecke pervertiert.«
»Das ist eine Geschichte. Aber hören sie mir gut zu. In der Sprache der Guarani werden ›Geschichte‹ und ›Legende‹ durch dasselbe Wort bezeichnet.« Majeur blickte auf den Aluminiumkoffer hinab. Vielleicht dachte er daran, was sich darin befand. »Eines weiß ich sicher. Estrella Leyes ist keine unwissende Frau.«
*
In Trey Merlis Haus auf Hibiscus Island sah es noch genauso aus wie nach Croakers Auseinandersetzung mit Heitor. Wo immer Majeur sich hatte aufhalten müssen -hier nicht. Croaker schlüpfte über die abgeschirmte Veranda hinein und durchsuchte das Haus schnell und leise. Der perfekt plazierte Tisch wirkte unheimlich - wie eine Filmkulisse, die darauf wartete, durch Regieanweisungen zum Leben erweckt zu werden.
Es gab eine Art Arbeitszimmer, aber nachdem Croaker es zwanzig Minuten lang durchsucht hatte, war er davon überzeugt, hier keine Haushaltsunterlagen zu finden. Er ging in das große Schlafzimmer. Die Hemden lagen immer noch auf dem Bett, und die Tür des Lackschranks am Fußende des Bettes stand noch offen und gab den Blick auf den Fernseher und den Videorekorder frei.
Irgend etwas beunruhigte Croaker an der ganzen Geschichte mit den Bonitas, der ACTF und Bennie, aber er konnte nicht genau sagen, was. Er glaubte nicht, daß Majeur ihn angelogen hatte, aber andererseits war er davon überzeugt, daß der Anwalt nicht die ganze Wahrheit kannte.
Er knipste eine Lampe an, und sein Blick glitt über die einzelnen Gegenstände im Raum. Meistens ist das, was man sucht, nicht versteckt, hatte sein Vater ihm gesagt. Meistens ist es direkt vor
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