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Schwarze Heimkehr

Schwarze Heimkehr

Titel: Schwarze Heimkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric van Lustbader
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daß, er nicht nur wegen einer Anleitung zum Angeln hierhergekommen war. Die Menschen fürchteten sich vor Stone Tree auf die gleiche Art und Weise, wie sie Angst davor hatten, nachts allein zu sein. Niemand konnte es genau erklären, und folglich war Stone Tree oft allein, und das begrüßte er Croaker hatte herausgefunden, daß ihm die Angst der anderen als Schutz diente. Stone Tree wohnte in einer einfachen Hütte aus und Blech auf einer Landzunge, fast ganz von roten Mangroven umgeben, über die man nicht gehen konnte, weil sie aus dem Wasser wuchsen. Sie wirkten wie ein Graben, der eine mittelalterliche Burg beschützte. Nur ein schmaler Streifen festen Bodens verband die Landzunge mit dem Festland.
    Bennies Körper wurde mit jedem Schritt schwerer. Gebeugt wie ein Achtzigjähriger mit Arthritis, bahnte sich Croaker einen Weg über den schmalen Landstreifen und ging dann wie immer dicht an dem Manzanille-Baum vorbei, der in dieser Jahreszeit kleine grüne Früchte trug, die Äpfeln glichen. Sie sahen appetitlich aus, aber ihr Saft war so ätzend wie Lauge. Der spanische Forscher Ponce del Rey hatte einst eine dieser Früchte gegessen und war eines qualvollen Todes gestorben. Als kleines Kind hatte Stone Tree dasselbe getan. Er war krank geworden, aber rätselhafterweise nicht gestorben. Danach hatte sein Vater ihm diesen Namen gegeben, um deutlich zu machen, daß er stark wie ein steinerner Baum sei.
    Croaker sah eine Bewegung vor sich und hielt inne. Joe schlüpfte aus dem Schilf und den weißen Mangroven, neugierig, wer in ihr Territorium eindrang. Joe war eine zweieinhalb Meter lange Indigo-Schlange, die bei Stone Tree lebte.
    Croaker kniete sich nieder und streckte seine künstliche Hand aus, damit die Schlange sie schmecken konnte. Sie tat es, indem sie ihre Zunge über die künstlichen Substanzen schnellen ließ. Dann ringelte sie sich um die Hand und wand sich an Croakers Arm empor. Ihr Kopf berührte Croakers Wange, und die gegabelte Zunge kam erneut zum Vorschein. Diesmal schmeckte sie salzigen Schweiß.
    »Bennie«, sagte Croaker. »Alles in Ordnung. Wir sind da.«
    Aber es kam keine Antwort. Bennie war bewußtlos geworden, während Croaker ihn aus dem Boot gehievt hatte.
    Croaker pfiff leise, während er aufstand und die moosverkrusteten Holzstufen zur Hütte emporstieg. Die Tür öffnete sich, und eine turmhohe Gestalt wurde vom flackernden Lichtschein zahlloser Kerzen und einer Coleman Laterne eingehüllt. Stone Tree war so dünn wie das Schilf am Rande des Wassers, an dem er lebte.
    »Du wirst erwartet«, sagte Stone Tree. »Es ist alles vorbereitet.«
    Croaker war nicht überrascht. Stone Tree wußte Dinge, von denen andere keine Ahnung hatten. Während Croaker Bennie sanft in der Mitte des Raums auf den Boden legte, sagte Stone Tree »Joe erinnert sich an vergangene Abenteuer und ist wie immer auf der Seite unserer Freunde.« Das war eine für Stone Tree typische Begrüßung. »Es tut gut, wieder hier zu sein«, antwortete Croaker.
    Stone Tree nickte. »Wurde auch Zeit, Walking Ibis.«
    Croaker hatte sich diesen Spitznamen eingehandelt‚ als Stone Tree zum erstenmal gesehen hatte, wie er an seiner künstlichen Hand einen der stählernen Fingernägel ausgefahren hatte. Stone Tree hatte gesagt, er sehe aus wie der nadelartige Schnabel eines Ibis, der nach einem Fisch schnappe.
    Während Stone Tree sich an die Arbeit machte, beobachtete Croaker sein hageres, zerfurchtes Gesicht. Er war so groß wie viele der Calusa, der indianischen Ureinwohner, deren Männer etwa zwei Meter groß wurden, und seine aufmerksamen Augen hatten die Farbe eines nebligen Sonnenaufgangs in den Everglades. Ein mit Perlen besetztes Kopfband aus Hirschleder sorgte dafür, daß sein langes weißes Haar ihm nicht in die breite Stirn fiel. Hinten war es zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, an dessen Ende sich ein dicker Knoten befand, der bei jeder Bewegung wie ein Pendel gegen seinen Rücken schlug. Sein seltsamer Humor war so trocken wie ein perfekt gemixter Martini. Stone Tree hatte trotz seiner Isolation einen weltoffenen und neugierigen Charakter. Woher er sein umfangreiches Wissen hatte, wußte Croaker nicht. Vielleicht überbrachten ihm die Gabelweihen und Kormorane, die Kammreiher oder die Fregattvögel, die vorüberflogen, die täglichen Nachrichten.
    Stone Tree preßte seine abgestorbene linke Hand gegen Bennies Stirn. Er war nicht mit dieser toten Hand auf die Welt gekommen - sie war erst später und auf

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