Schwarze Heimkehr
Stimme bitter klang. Den Blick auf das seichte Wasser gerichtet, dachte er über das Schicksal nach. In Südostasien, wo er viel Zeit verbracht hatte, war Schicksal ein wichtiges Thema. Es beherrschte das Leben eines Menschen von der Geburt bis zum Tod. Die Chinesen glaubten, daß es falsch sei, gegen das Schicksal anzukämpfen. Sie rieten einem, das Unausweichliche zu akzeptieren. Croaker würde sich nie ganz mit dieser Philosophie anfreunden können. Für ihn war das, als würde man sich wie ein Straßenhund zum Sterben hinlegen. Nie würde er diese Ansicht teilen können.
Er wußte, daß es nicht gut war, über solche Dinge nachzusinnen. Er hatte kaum eine Vorstellung vom Begriff des Schicksals, ganz zu schweigen von einer eigenen Position. Aber die Alternative zu diesen Gedanken war noch schlimmer. Dann hätte er mit der Erkenntnis ringen müssen, daß er hier sterben und mit dem Gesicht nach unten in dem fünfzig Zentimeter tiefen, brackigen Wasser treiben würde, wie Jenny es in ihrer Vision gesehen hatte.
»Welch tiefes Schweigen, Seňor«, spöttelte Antonio. »Sie denken wohl an Ihren Tod?«
»Tatsächlich habe ich an Ihren Tod gedacht.«
Antonio lachte. »Trotz all des Kummers, den sie mir bereitet haben, glaube ich, daß ich sie vermissen werde, Seňor.«
»Glauben sie nicht eine Minute daran, daß dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruht.« Croaker steuerte das Boot auf den Wilderness Waterway hinaus.
»Biegen sie im Süden aus dem Kanal ab«‚ befahl Antonio mit einem Schwenk des kurzen Laufes der Mack-10. »Wir werden Roubinnet in der Snake Bight einholen.« Die Bucht war eine Art Schlupfwinkel im Osten, die an die größere Florida Bay angrenzte. Dahinter lagen, schlank und gebogen wie ein ruhender Frauenarm, die Florida Keys vor der Küste des Festlandes.
»Sind sie mit Rafe befreundet?«
»Verdammt‚ nein.« Antonio ließ sich nahe genug bei Croaker nieder, um weiterhin ein Auge auf ihn haben zu können, aber weit genug entfernt, damit Croaker ihn nicht mit einem Sprung erreichen konnte. »Aber wo wir gerade von alten Freunden sprechen - ist Bennie schon tot?«
»Sie scheinen doch sonst alles zu wissen, warum nicht auch das?«
Antonio legte den Kopf zur Seite. »Habe ich einen Nerv getroffen, Seňor? Ich glaube schon.« Er trug ein goldfarbenes Polohemd und eine Khakihose. Sein Hemdkragen flatterte im Wind. »Bennie ist ein kluger Mann, aber nicht so klug, wie er denkt. Vielleicht kommt das daher, daß er sentimental ist. Ja, Bennie. Er hegte tiefe Gefühle für seinen Großvater. Merkwürdig, wenn man bedenkt, daß sie nie miteinander klar kamen.« Er grunzte. »Ich wette, daß er Ihnen das nie erzählt hat.«
»Was immer er mir auch erzählt hat, es ist vertraulich.«
»Wie das, aber ich werde es Ihnen trotzdem erzählen. Es trifft auch in gewisser Weise auf uns zu. Wir sind Vertraute - durch den Tod miteinander verbunden.« Antonio lächelte. »Sie werden mir nicht glauben, aber die Wahrheit ist, daß
Humaitá
ein Ungeheuer war. O ja, er war ein Perfektionist und Sklaventreiber, bei Kindern noch mehr als bei Erwachsenen. Und,
dios mio
, wie arrogant dieser Mann war! Bennie fand ihn unerträglich, und ich tadele ihn nicht dafür. Der alte Mann wollte Bennie. Wollte ihn mit Haut und Haaren. Bei mir war es dasselbe. Aber ich war klug. Ich habe von
Humait
á
genommen, was ich kriegen konnte. Er hat mich bis zur Erschöpfung getrieben, und ich bin vor ihm auf den Knien gekrochen und habe die Krümel der Erkenntnis verschlungen, die er für mich fallen ließ.
Heitor konnte das Ganze nicht ertragen. Und Bennie nun, Bennie wollte nichts damit zu tun haben.«
Croaker steuerte um die letzte Kurve auf die südliche Mündung des Kanals zu. Vor ihnen lagen die Bucht und die Snake Bight. »Wollen sie damit sagen, daß Sie, Heitor und Bennie zur gleichen Zeit von
Humaitá
in
Hetá I
unterwiesen worden sind?«
»Endlich haben sie es begriffen.« Sie näherten sich der Mündung des Wasserweges, und Antonio stand auf. »Die Härte diese Unterrichtes hat Bennie dazu bewegt, frühzeitig auszusteigen, und Heitor unter extremen Druck gesetzt.«
»Und wie war es bei Ihnen?«
Antonio zuckte die Achseln. »
Quien sabe?
« Wer weiß? Wachsam spähte er in die schmutzige, regnerische und windige Dunkelheit, während Croaker das Boot auf östlichen Kurs brachte und auf die halbmondförmige Küstenlinie der Snake Bight zusteuerte.
Jetzt mußte er die alles entscheidende Frage stellen. »Wie hat Ross
Weitere Kostenlose Bücher