Schwarze Heimkehr
öffnete die stählernen Finger und stopfte Heitor die farblose Masse in den geöffneten Mund. Dann rammte er ihm die Knöchel seiner rechten Hand gegen den Adamsapfel.
Heitor konnte nicht anders, er mußte schlucken. Seine Augen begannen zu tränen, während er den flüssigen Brei des Manzanille-Apfels hinunterschluckte. Sein Schrei ließ einem das Blut in den Adern gefrieren und verängstigte sogar den Rotluchs, der über sie sprang und schnell im dunklen Labyrinth des Waldes verschwand.
Heitor bäumte sich auf und warf sich von einer Seite auf die andere. Er packte sich an die Kehle, dann an die Brust und an den Bauch. Er hatte die rollenden Augen weit aufgerissen. Das Weiß neben den Pupillen war blutunterlaufen, und sein Mund zuckte spasmisch.
Dann fiel sein Blick wieder auf Croaker, und er schaffte es mit einer außergewöhnlichen Willensanstrengung, sich wieder ein wenig unter Kontrolle zu bekommen. Er zog mit zitternder Hand
Humaitás
Zauberstein aus der Tasche und preßte ihn gegen seine Brust.
Für einen Augenblick schien nichts zu geschehen. Der stürmische Regen hatte schon vor einer Weile aufgehört, und jetzt war es sogar windstill. Selbst die Nacht schien den Atem anzuhalten.
»Hier, Seňor. Sehen sie es?« Heitor setzte sich auf. Er zitterte nicht mehr, und sein Gesicht hatte nicht mehr diesen bleichen, schmalen Ausdruck. »
Hetá I
schützt mich vor der Vergiftung. Sie können mich nicht verletzen, Seňor. Ich lade sie ein zu versuchen ….«
Seine Stimme versagte von einem Augenblick auf den nächsten. Während sich sein Bauch aufblähte‚ traten seine Augen weit aus ihren Höhlen. Sein Gesicht verzog sich im Entsetzen, und Schweiß strömte ihm in Rinnsalen von der Stirn, den Wangen und den Schläfen hinab. Sein verzerrter Gesichtsausdruck schien der Spiegel des fürchterlichen Kampfes zu sein, der sich in seinem Inneren abspielte.
»Ich… Ich ….« Seine Pupillen glitten nach oben, bis nur noch das Weiß wie Neonlicht glänzte. Sein Unterkiefer sackte nach unten, und man hörte ein langgezogenes Zischen, das tief aus seinem Inneren kam. Als es schließlich erstarb, war sein Bauch wieder flach.
Croaker näherte sich vorsichtig. Während er neben Heitor niederkniete, nahm er einen besonderen Geruch wahr. Er schien nicht nur aus dem geöffneten Mund, sondern aus jeder Pore von Heitors Körper aufzusteigen. Noch bevor er den Puls gefühlt hatte, wußte Croaker, daß Heitor tot war. Er nahm den Zauberstein aus der schlaffen Hand.
Der Schmerz in seiner Schulter ließ ihn aufstehen. Er mußte jamaikanischen Hartriegel finden. Er würde einen Teil der Rinde entfernen und deren Unterseite dann gegen seine Wunde drücken. Die Calusa und die Seminolen hatten diese Rinden seit Ewigkeiten getrocknet, zerrieben und dann das Puder über die Wasseroberfläche gestreut. Das starke Narkotikum betäubte die Fische, die es gegessen hatten. Sie trieben an die Oberfläche, wo die Fischer sie mit ihren Netzen einsammeln konnten.
Er setzte sich in Richtung des Waldes in Bewegung, weil er sicher war, dort Hartriegel zu finden. Aber er war kaum einen oder zwei Schritte gegangen, als er Antonios Gesicht vor sich sah. Er hatte kein warnendes Geräusch wahrgenommen, Croaker reagierte, aber es war zu spät. Ein dicker, langer Knüppel aus Platanenholz traf ihn an der Schlafe, und Croaker ging bewußtlos zu Boden.
19
Als Croaker noch bei der Polizei gewesen war, hatte eine inoffizielle Redensart auf der Wand des Bereitschaftsraums des Reviers gestanden:
DEINE PISTOLE IST DEIN RECHTER ARM UND DEIN RECHTES BEIN: LASS DICH NICHT ZUM KRÜPPEL MACHEN!
Glauben sie es, wir leben und sterben nach diesem Gebot, hatte sein Vorgesetzter ihm am ersten Tag eingetrichtert. Für die Regierenden ist das eine reine Geldfrage. Sie wollen nicht, daß sie die verdammte Knarre verlieren. Für uns ist es eine Frage der Ehre. Wenn sie mit Ihrer eigenen Pistole angeschossen werden, steht das sowohl in Ihrer verdammten Akte als auch in meiner.
Als er aufwachte, hatte er allen Grund, sich an diese Warnung zu erinnern. Er blickte an seinem Körper hinab und sah, daß er wieder ganz und gar zum Krüppel geworden war.
Er wischte sich das Regenwasser aus den Augen und starrte ungläubig auf den Stumpf an seinem linken Unterarm. Antonio hatte es irgendwie geschafft, den Verschlußmechanismus seiner Kunsthand zu öffnen. Croaker fühlte sich so nackt, als hätte man ihm alle Kleidungsstücke vom Leib gerissen.
Er setzte sich auf und
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