Schwarze Heimkehr
spreizte die Arme und ließ das Stilett ins Wasser fallen. »Wenn wir doch nur vom gleichen Kaliber wären, Seňor. Aber jetzt, wo ich den Dunklen Stein verschluckt habe, wird es eine einseitige Vorstellung werden.« Er ging auf Croaker zu. »Wenn man darüber nachdenkt, ist es vielleicht auch besser so. Es wird alles schnell vorbei sein. Mir bleibt noch genug unerledigte Arbeit.«
Croaker sah, daß Antonio mit jedem Schritt Blut verlor, das aus seiner Seite tropfte und im Mondlicht pechschwarz wirkte. Es bedeckte das Wasser wie die durchsichtigen Schleier eines Tänzerkostüms.
Croaker wich zurück. »Sie werden mich nicht auf diese Weise umbringen, Antonio. Nicht jetzt. Noch nicht. Sie wollen noch etwas von mir.«
»Das glaube ich nicht, Seňor.« Antonio streckte die Hand aus und schloß sie um die ausgefahrenen Fingernägel von Croakers künstlicher Hand. Das Blut sickerte weiterhin aus seiner Wunde, aber seine Finger bluteten nicht.
»Geben sie sich keine Mühe, es zu leugnen.« Croaker sah, daß das kleine Boot von ihnen wegtrieb. Aus dem Augenwinkel erkannte er, daß die Crew auf Rafes Katamaran manövrierte, um es einzuholen. »Sie haben von Anfang an gesagt, daß wir Freunde seien, aber das stimmte nicht. Nie. Aber irgend etwas gab es. Eine Verbindung.«
Antonios Finger krochen über die Fingernägel aus rostfreiem Stahl und näherten sich Croakers Handgelenk aus Fleisch und Blut. Was würde passieren, wenn sie ihn berührten?
»Was für eine Art von Verbindung hätte das sein können, Seňor Schnüffler?«
Antonios Tonfall verriet den vertrauten Hohn. Croaker wußte, daß er auf dem richtigen Weg war, aber es war ihm auch klar, daß er es herausfinden mußte, bevor Antonio ihn berührte. Er wußte zwar nicht, ob er an die definitive
sukia
-Verwandlung durch den Zauberstein glauben sollte, aber er hatte schon etwas von dessen Macht gesehen und war hier und jetzt nicht bereit zu spekulieren, daß es sich bei dem Rest um pure Fantasie handelte.
Croaker wollte seine Hand wegziehen‚ aber etwas, das er weder erklären oder verstehen konnte, ließ ihn innehalten. »Sie haben gesagt, daß es eine Verbindung gebe. Zwischen Sonia und Rosa. Jetzt glaube ich, daß da noch mehr ist.«
Antonio ließ ihn nicht los. »Dieses Gefühl ist unvermeidbar, Seňor«
Obwohl er noch fröstelte, fühlte Croaker jetzt die Hitze, die Antonios Hand ausströmte. Sie kroch an seinem Unterarm hoch wie vorher an seiner Hand aus Titan und Polykarbonat.
»Es war alles wahr«‚ flüsterte Antonio. »Genau, wie Heitor es geträumt hat.«
Croaker hatte den Eindruck, die Hitze würde seine Haut versengen. »Was hat Heitor geträumt?«
»Daß
Humaitá
als Herr über Sonne und Mond zurückgekehrt wäre und den Geist eines lebenden Menschen berührt hätte Eines Menschen, den wir kannten. So konnte er die Samen seiner Rache ausstreuen.«
Croaker fühlte, wie ihn ein unfreiwilliger Schauer der Erkenntnis durchfuhr. Das Mondlicht akzentuierte jeden aristokratischen Zug von Antonios Gesicht und betonte die Struktur der Knochen so, daß es möglich zu sein schien, darin andere Menschen zu erkennen - Vorfahren, die zu ihrer Zeit vielleicht mächtig gewesen, aber längst begraben waren. »Hier ist die Antwort auf Ihre Frage, Seňor. Ich hätte Rosas Tod verhindern können. Aber dann hätte ich Heitor umbringen müssen.«
»Was?« Croaker schüttelte den Kopf. »lch verstehe nicht.«
»Die Unterweisung in
Hetá I
durch
Humaitá
war zuviel für Bennie. Er hat es seinem Großvater immer übelgenommen. Wenn sie ihn fragen, wird er es natürlich ableugnen. So ist Bennie eben. Aber glauben sie mir, es ist die Wahrheit.« Antonios Umklammerung von Croakers Hand ließ nicht nach. »Und so hat sich sein Leben verändert, und bei Heitor war es nicht anders. Die
Hetá I
-Unterweisung brachte etwas Unheimliches in ihm hervor. In Heitor lebten viele Persönlichkeiten, und eine war die eines Mörders. Zwischen diesen Persönlichkeiten gab es eine unheimliche Koexistenz. Sie waren überschwemmt wie Bleigewichte im Wasser. Bis die Schulung in
Hetá I
begann. Die Drogen, das Fasten und die Experimente mit der Todesnähe ließen die anderen Persönlichkeiten an die Oberfläche aufsteigen. Und da blieben sie und verdammten Heitor in eine Art Hölle, die sie und ich uns nie werden vorstellen können.«
Die Bonitas. Die Wahrheit war sogar noch schrecklicher als die Legende, die sie geschaffen hatten. Antonio hatte die Persönlichkeitsstörung seines
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