Schwarze Heimkehr
töten waren. Aber wenn man das Glück hatte, ihnen den Bauch aufzuschlitzen, bevor sie zuschlugen, konnte es gutgehen. Doch das war beinahe aussichtslos.
Statt dessen rammte Croaker dem Tier die Kante seiner Kunsthand in die Schnauze, was dem Hai eigentlich fürs erste hätte genügen müssen. Aber dieser Hai war anders. Er schüttelte seinen Körper drehte ab und schwamm direkt auf Antonio zu.
Antonio rührte sich nicht von der Stelle. Er schien auf unheimliche Weise scharf auf diese Auseinandersetzung zu sein. Vielleicht wollte er nur die Macht seiner Verwandlung demonstrieren. Aber Croaker glaubte nicht daran. Wie konnte er sich so sicher sein? Fast schien es, als sähe Antonio in dem Tigerhai das gleiche wie Croaker.
Antonio verharrte regungslos, während das lebende Geschoß auf ihn zukam. Er streckte seinen linken Arm wie ein Heilkundiger aus, der im Begriff ist, einen aussätzigen Pilger zu segnen, der sich aber sicher ist, daß eine Berührung sein eigenes Leben gefährdete. Der Tigerhai öffnete sein Maul, und es war, als herrschte plötzlich eine Mondfinsternis.
Es gab nur wenige Dinge auf dieser Welt, die so beängstigend waren wie die dreifache Zahnreihe eines sich nähernden Hais. Antonio wich trotzdem nicht zurück. Sein Gesichtsausdruck zeigte keine Angst, als die Kiefer des Tieres zuschnappten und ihm den ganzen Arm abrissen.
Croaker, der auf dem Grund der Bucht kniete, riß seine stählernen Fingernägel in einem günstigen Winkel hoch. Er nutzte die Vorwärtsbewegung des Hais und ließ nicht nach, während die Fingernägel wie Messerklingen den Unterleib des Tieres aufschlitzten. Die rasiermesserscharfen Nägel rissen den Bauch des Tieres der Länge nach auf, während es an Antonio vorbeischoß. Ein Wirbel aus Blut und Eingeweiden trübte das Wasser, und Croaker, dem die Kräfte ausgingen, wurde von den Füßen gerissen. Er zerrte die Fingernägel aus dem Leib des Hais. Das Tier drehte sich um, geriet in Schräglage, weil es seine Eingeweide verlor, und trieb dahin, ohne die Richtung beeinflussen zu können.
Antonio lag unbeweglich im Wasser, als Croaker ihn erreichte. Seine bernsteinfarbenen Augen waren wegen des Schocks halb geschlossen. An der Stelle, wo sich sein linker Arm befunden hatte, strömte das Blut heftig aus seinem Körper. Croaker konnte hichts mehr für ihn tun.
»Antonio.«
Antonio wandte den hageren Kopf mit dem Gesichtsausdruck eines Raubtieres um. Im fahlen Mondlicht wirkte er so schön wie ein Gott. Er lächelte, während er an seiner gliederlosen linken Seite hinabblickte. »Jetzt sind wir wirklich gleich, Seňor«
»Sie irren sich, Antonio. Wir haben nichts gemeinsam.«
»Nein‚ nein, sehen sie es denn nicht? Ich habe sie nie angelogen. Als ich sie zum erstenmal traf, habe ich einen Blick auf den Grund Ihrer Seele geworfen. Ich sah einen Mann, der genau wie ich selbst von seiner Vergangenheit abgeschnitten war. Wir waren beide Fremde in einer fremdartigen Gegenwart, Seňor.« Croaker drückte ihn fester an sich und spürte, wie das Leben mit jedem Herzschlag mehr aus ihm wich. Die bernsteinfarbenen Augen starrten zu ihm empor, und ihr Ausdruck verriet, daß sie wußten, was ihn erwartete.
Antonio erschauerte. »Ich glaube, daß ich schon im Leib meiner Mutter verdammt war. Ich habe das Böse bei vollem Bewußtsein umarmt. Aber ich habe immer versucht, Heitor vor sich selbst zu retten. Meine Buße dafür besteht für immer darin, daß ich die Erinnerung an Rosa in meinem Herzen tragen muß.«
Es ist wahr, daß Antonio Rosa geliebt hat, dachte Croaker. Das Ausmaß der Tragödie erschütterte ihn. Antonio hätte gerettet werden können, wenn er gewußt hätte, was Liebe war.
Plötzlich schnappte Antonio nach Luft, und seine gesunde Hand ergriff Croakers mit grimmiger Strenge.
»Es tut gut, sie dort zu fühlen, nicht wahr?« fragte Croaker.
»Ja. Jetzt bin ich ganz ruhig«, flüsterte Antonio. Er war am Ende seiner Suche angelangt. Die ganze Zeit nach Rosas Tod hatte er nach der Bedeutung seiner Gefühle für sie geforscht. Er hatte sich mit ihr verbunden wie ein Schatten, der über einen Garten fiel und dann verschwand. In ihrem Leben war er nur ein Geist gewesen, weil es ihm nicht gelungen war, mehr zu sein. Aber später hatte er herausgefunden, daß sie ihn tief in seinem Inneren berührt hatte. Nach dieser menschlichen Verbindung sehnte er sich, ganz gleich, wie sie sich auch vollziehen mochte.
Als ich sie zum erstenmal traf, habe ich einen Blick auf den
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