Schwarze Heimkehr
Diagnose gilt immer noch, Mr. Croaker. Sie braucht diese Niere. Ohne sie wird sie nicht durchkommen.«
Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. »Okay, ich werde sie besorgen. Was für ein Ergebnis hat meine Untersuchung ergeben?«
»Sie kommen nicht in Frage.« Sie ließ sich erweichen und schenkte ihm ein trauriges Lächeln. »Tut mir leid.«
Croaker seufzte. Wie zum Teufel sollte er eine neue Niere für Rachel besorgen, wenn nirgendwo eine zu finden war? Er konnte sich nicht helfen und mußte wieder an die Bonita-Zwillinge denken, die nach Bennies Aussagen in Lateinamerika Organe horteten und jetzt vielleicht auch hier - für die wenigen Ausgewählten, die ihre zweifellos exorbitanten Preise bezahlen konnten. Er mußte eine Lösung finden und durfte die Hoffnung nicht aufgeben.
»Was soll ich meiner Schwester über Rachels Zustand mitteilen?« fragte er.
»Wie ich bereits sagte, scheint ihr Zustand stabil zu sein, aber ich muß Ihnen leider mitteilen, daß sie wieder ins Koma zurückgefallen ist. Wir führen jetzt Untersuchungen durch, um herauszufinden, was passiert ist. Das wird eine Weile dauern. Wir werden frühestens am Morgen Bescheid wissen. Warum bringen sie Ihre Schwester nicht nach Hause, Mr. Croaker? Sie beide können hier nichts tun, und wir werden sie anrufen, wenn es Neuigkeiten gibt.«
Dr. Marsh wollte sich gerade abwenden, als Croaker das Wort ergriff. »Lew. Mein Vorname ist Lew.« Er blickte ihr fest in die Augen. »Die Sache mit der Niere. Es muß eine Quelle geben, die ich nicht kenne.« War es möglich, daß sie etwas von den Bonitas wußte? War es möglich, daß, wie Bennie behauptete, in diesem Land Organe gehortet wurden? »Gibt es eine?«
Sie blickte ihn an. »Ich habe mehrere Telefonate geführt und versucht, über Beziehungen etwas zu erreichen. Ich habe gebettelt und die Leute beschwatzt und mich, offen gesagt, ein- oder zweimal zum Narren gemacht. Mehr kann nicht tun.« Aber Croaker wußte, daß sie noch nicht ganz fertig war.
Er fühlte ihr Zögern eher, als daß er es sah und sprang schnell in die Bresche. »Wenn es einen anderen Weg gibt, muß ich es wissen. Bitte.« Genau wie sein Vater hatte er genügend reiche Leute, Gangster, korrupte Menschen und Diebe kennengelernt, um zu spüren, wann das Gewissen eines Menschen mit den Konventionen kämpfte. Nicht etwa, daß Jenny Marsh zu diesen Leuten gehört hätte; es war einfach eine Binsenweisheit von der Straße, daß Menschen mit einem guten Charakter und einem empfindsamen Herzen ein sensibleres Gewissen besaßen.
Jenny Marsh blickte ihn für einen Moment an, und dieser Moment kam ihm sehr lang vor. Dann hob sie als schweigende Einladung einen Arm, und er folgte ihr durch das Dialysezentrum. Sie schritten durch eine Tür, auf der ARZTZIMMER stand, und befanden sich in einem mittelgroßen Raum mit abgenutztem Mobiliar, das zweifellos gespendet worden war. Durch das Fenster blickte man über den Intracoastal. Außer ihnen war niemand im Zimmer.
Jenny Marsh schüttelte den Kopf. »Ich muß nicht ganz bei Sinnen sein.« Sie steckte die Hände in die Taschen ihres Laborkittels. »Sehen Sie, sie müssen eines verstehen. Wir alle, die wir mit Organtransplantationen zu tun haben, sind skrupulos - und ich unterstreiche das Wort -‚ was die Ethik betrifft. Man wird uns weder lebend noch tot mit einem nicht registrierten Organ erwischen. Die Tatsache, daß es illegal ist, mit gestohlenen Organen zu handeln, ist dabei eher nebensächlich. Organhandel ist moralisch verwerflich, und wir wollen nichts damit zu tun haben.«
Croaker wußte, daß ihr Gespräch jetzt eine neue und heikle Dimension erreicht hatte - wie ein friedlicher Spaziergang, der sich angesichts der Begegnung mit einer fremdartigen Bestie plötzlich in ein angespanntes Gefecht verwandelte.
»Ich höre Ihnen zu.«
Jenny Marsh hob die Schultern, als wollte sie sich selbst Mut machen. »Ich habe von Zeit zu Zeit davon gehört, daß nicht registrierte Organe auftauchen.«
Croaker, der daran gewöhnt war, zögernden Zeugen und Verdächtigen Bekenntnisse zu entlocken, hatte Erfahrung damit, zwischen den Zeilen zu lesen. »Wollen sie mir damit zu verstehen geben, daß sie wissen, daß es hier, in diesem Land, einen verbotenen Handel mit gestohlenen Organen gibt?«
Sie nickte kurz. »Ich habe nichts gesagt. Sollten sie irgend jemandem erzählen, daß ich so etwas erwähnt hätte, würde ich es abstreiten.« Die Angst hatte ihren Blick getrübt. Nur dann und wann
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