Schwarze Heimkehr
»Rachie, was ist passiert?«
»Diese ganzen Schläuche«‚ flüsterte sie.
»Du liegst im Krankenhaus, weil du miserablen Stoff genommen hast.«
Ihr Gesichtsausdruck war neugierig. »Du bist nicht wie Matty. Die hat keine Ahnung, daß ich Drogen nehme.« Ihre Miene änderte sich plötzlich, und ihre Lippen begannen zu zittern. Er fühlte die Vibrationen in ihren Fingern, als er sie fest umklammerte. Sie schloß die Augen.
»Rachel ….« Er preßte ihr den Zauberstein gegen den Brustknochen.
Seine Augen bemerkten ihren sanften Blick. »Es ist alles in Ordnung.« Die Monitore bestätigten, daß ihr Herzschlag und der Blutdruck stabil waren. Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die aufgeplatzten Lippen. »Kannst du mir irgendwas zu trinken holen? Vielleicht eine Cola Light? Ich bin so durstig.«
»Die Flüssigkeit wird dir durch einige der Schläuche zugeführt, Darling. Ich glaube nicht, daß es eine gute Idee ist, dir jetzt was anderes zu geben.«
Ihre eisblauen Augen blickten ihn an, hungrig danach, Bescheid zu wissen. »Was für Probleme gab es zwischen dir und Matty?«
Der Cop in ihm konnte nicht widerstehen. »Ich sage es dir, wenn du mir erzählst, wo du den Drecksstoff her hattest, der deinen Körper ruiniert hat.«
Sie schien interessiert zu sein. »Ich spiele dieses Spiel nicht zum erstenmal.«
»Was für ein Spiel?«
»Ich lege meine Karten offen, wenn du es auch tust.«
Croaker fragte sich, ob sie schon sexuelle Erfahrungen gesammelt hatte. Sie war zwar erst fünfzehn Jahre, aber heutzutage war das sicher kein Hinderungsgrund. Er unterdrückte seine Neugier, sie zu fragen; das war eine Frage, wie Matty sie gestellt hätte, und deshalb mußte sie unbedingt vermieden werden.
Er lächelte sie an. »Ja‚ ich habe das Spiel selbst ein- oder zweimal gespielt.«
»Und, bist du gut darin?«
Was für eine Frage für eine Fünfzehnjährige.
»Ich weiß es nicht. Das wirst du mir sagen müssen.«
»Okay. Du fängst an.«
Er stand neben ihrem Bett und ergriff ihre Hand. »Deine Mutter und ich ….« Er unterbrach sich, unsicher, wie er fortfahren sollte. »Ich weiß nicht, aber wir sind manchmal wie Feuer und Wasser. Sie sieht schwarz, ich sehe weiß, und so stoßen wir in fast allen Fragen immer wieder mit den Köpfen aneinander.«
»Du nimmst mich auf den Arm«‚ sagte Rachel. »Bitte nicht, Onkel Lew.«
Und so erzählte er ihr soviel von der schändlichen Geschichte ihres Vaters, wie sie seiner Meinung nach verdauen konnte - daß es Donald gelungen war, einen Keil zwischen die Familienmitglieder zu treiben. Das war nicht einmal die halbe Geschichte, aber er wußte, daß das reichen mußte, um sie zufriedenzustellen.
»Eltern sind wie Katzen«, sagte Rachel. »Man weiß nie, was sie gerade denken. Ich weiß nicht, aber wenn Matty mit mir zusammen ist, ist sie so offen. Wenn es um sie und meinen Vater geht, kennt nur Gott die ganze Wahrheit.«
»Vielleicht liegt die Antwort darin, daß Eltern nicht wirklich so offen sind, wie es scheint«, sagte er. »Sie reagieren nur dann, wenn du auf die richtigen Knöpfe drückst.«
Mit der entwaffnenden Art eines Teenagers, Fragen zu stellen, die einem ins Herz schnitten, sagte Rachel: »Das Problem, das mich wahnsinnig macht, ist: Hat mein Vater Matty verlassen, oder habe ich ihn aus dem Haus getrieben?«
Croaker beugte sich vor. »Darling, wie kommst du darauf, so etwas auch nur zu denken? Die Trennung hatte nichts mit dir zu tun.«
»In dieser Familie gehen die Menschen immer ihrer Wege - du, mein Vater. Ich bin die einzige Konstante.«
»Das ist nicht wahr.«
Ihr Blick war schmerzerfüllt. »Tatsächlich? Nach der Scheidung hat mich mein Vater nie mehr besucht. Warum wenn nicht deshalb, weil er mich dafür verantwortlich gemacht hat?«
»Donald, ich hoffe, daß du bei lebendigem Leib verschmorst, in welcher Hölle du auch immer gelandet sein, magst, dachte Croaker.
»Und Matty redet wie eine Wahnsinnige auf mich ein.«
Irgend etwas an ihrem Tonfall alarmierte ihn. »Zu dir und Matty. Wo liegt das Problem?«
»Es geht eher darum, wo das Problem nicht liegt.«
»Und was soll das bedeuten?«
»Weil sie bestimmte Antworten sucht, stellt sie immer die falschen Fragen. Sie hat keine Ahnung, was läuft.«
»Rachel‚ was ist passiert - ich meine, mit dir?«
Sie preßte die Zähne aufeinander. Der Ausdruck ihrer eisblauen Augen traf ihn bis ins Mark. Croaker erkannte, daß sie die Fähigkeit hatte, Menschen zu ignorieren, selbst solche, die
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