Schwarze Heimkehr
weckte sogar den Neid derer, die ihre Diamanten am Strand trugen. Neben ehrfurchtgebietenden Ausblicken, überdimensional großen Wohnungen auf zwei Ebenen, verschwenderischen Badezimmern mit Marmor und Goldverzierungen und einem Fitneßcenter auf dem Dach, das sogar für Herzpatienten auf dem neuesten Stand war, hatte das Harbour Pointe auch einen Türsteher und eine Concierge. Die Eingangshalle war charakteristisch für Gebäude, in denen man das Wort »Residenz« für Wohnungen benutzte, die ab einer Million Dollar aufwärts zu haben waren. Angesichts ihrer vier massiven Kristallüster, der obligatorischen Missoni-Teppiche und des bronzenen, mit pinkfarbenem Wildleder bezogenen Mobiliars war »farbenfroh« nur ein äußerst bescheidenes Adjektiv, um das Ambiente zu beschreiben.
Im zwölften Stock angelangt, schaltete Croaker alle Lichter der Wohnung an, als könnte die Verbannung der Dunkelheit Mattys plötzliche und vernichtende Depression zerstreuen. Während der kurzen Autofahrt über die Flagler Memorial Bridge und den Royal Poinciana Way nach Palm Beach hatte sie auf seine Nachricht, daß Rachels Gesundheitszustand stabil sei, mit keinem Wort geantwortet.
Er führte sie zu einem von zwei einander gegenüberstehenden, gigantischen Sofas im Wohnzimmer. Die ganze Wohnung war in einer Weise großzügig möbliert, die ein Innenausstatter als »europäischen Stil« definieren würde: Es gab antike Möbel, die mit blassen, provenzalisch gemusterten Moire-Stoffen aufgepolstert waren, und alte Orientteppiche in iranischen Rot- und Blautönen, die durch die Zeit und das Sonnenlicht ausgebleicht worden waren. Das Ganze wurde durch eine eklektische Ansammlung von Accessoires dekoriert: Statuen, französische Landschaftsbilder, zierliche Beistelltischchen, üppig gemusterte Vorhänge, massive Schalen aus Kristallglas und dekorativer Nippes im Übermaß. Die Wände waren teilweise mit den in Florida allgegenwärtigen Spiegeln verkleidet, die die beiden Gewässer in verwirrenden und unerwarteten Perspektiven widerspiegelten.
All diese hochgradig auffälligen Kunstgriffe vermittelten eine brüchige Oberfläche von Kultur. Nach dem, was er von Donald Duke wußte, war Croaker darüber kaum überrascht, aber etwas anderes wunderte ihn. In diesem Wunderland überteuerten Plunders entdeckte er keinerlei Fotografien, persönlichen Besitz oder Erinnerungen an die letzten fünfzehn Jahre. Es gab kein Anzeichen von Individualität. Wo war Mattys Platz innerhalb dieser anonymen, eleganten und glitzernden Welt?
Matty saß barfuß auf dem Teppich und wirkte inmitten des perfekten, leeren Gepränges, als hätte die Angst sie vernichtet. Sie befand sich in einer Vorhölle, es gab für sie kein Verweilen, sondern - wie bei einem fliegenden Projektil - nur Geschwindigkeit.
»Wann hast du zum letztenmal was gegessen?« Er weckte sie aus ihrem Schweigen. »Matty ….?«
»Ich kann mich nicht erinnern.« Croaker machte sich auf den Weg zur Küche. »Ich werde dir was kochen.« »Da müßtest du schon zaubern können, rief Matty ihm nach. »Ich habe seit einer Woche nicht eingekauft.« - sie hatte keinen Witz gemacht. In der vergleichsweise kleinen Küche entdeckte Croaker praktisch nichts im Kühlschrank: nur drei weiße Pappschachteln aus einem chinesischen Restaurant, einen halben Karton sauer gewordener, entrahmter Milch, eine leere Packung Cornflakes, eine Knoblauchzehe, einen halben, vergammelten Kopfsalat, einige halbverrottete Schalotten und ein Glas Erdnußbutter. Im Tiefkühlfach befanden sich ein in Folie verpackter Kuchen, eine Tüte mit feinen Kaffeebohnen und zwei ungeöffnete Becher Eis.
»Jesus«, murmelte er, während er in die Schachteln aus dem chinesischen Restaurant blickte. In der ersten war Reis, so hart wie Eis, in der zweiten ein Shrimps-Gericht, dessen Ammoniakgeruch ihn zusammenzucken ließ. Die dritte hatte einst Ingwer-Rindfleisch enthalten. Alles, was davon übriggeblieben war, waren längliche Stückchen, die wie Holzsplitter in einer geronnenen braunen Soße schwammen. Er kramte in den Küchenschränken herum und fand Pasta und eine zu einem Drittel volle Flasche Scotch. Zusammen mit dem Plastikbehälter mit Sojasoße aus dem chinesischen Restaurant reichte es alles in allem.
Er füllte einen großen Topf halb mit Wasser und setzte ihn auf. In einer Schüssel mit etwas warmem Wasser zerkleinerte er die Erdnußbutter, bis sie die richtige Konsistenz hatte. Anschließend zerhackte Croaker Knoblauch und
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