Schwarze Heimkehr
Gesicht geschüttet. »Und ohne diese Niere wird sie sterben, Sir. Dr. Marsh hat das bestätigt und andere sicher auch.«
Croaker schwieg lange. Dumpf wie ein Hintergrundgeräusch nahm er den anschwellenden Verkehr auf dem Broadway wahr. Aus einer Box dröhnte harte, monotone Rapmusik. Der Klang wurde lauter, nahm ab und wurde dann von der sommerlichen Luft davongetragen. Hier auf dem Friedhof war es unnatürlich ruhig. Und es wurde von Minute zu Minute heißer.
Endlich kam wieder Leben in Croaker. »Okay. Nehmen wir einmal an, daß Ihr Klient tatsächlich Zugang zu einer passenden Niere hat. Wieviel Geld will er dafür sehen? Ich bin kein Millionär, aber meine Schwester kann an Geld rankommen.«
»Oh, es geht nicht um Geld«, sagte Majeur. »Nein, nein, nichts in der Art. Im Gegenteil. Es würde meinem Klienten gefallen, wenn sie die Schlüssel für den Mustang behielten.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Dies ist ein handfester Beweis für seine Aufrichtigkeit und seinen guten Willen.« Majeur verstaute das gebrauchte Butterbrotpapier sorgfältig wieder in seiner Frühstücksbox.
»Ich versichere Ihnen, daß es keinen Haken bei der Sache gibt.« Er schenkte sich erneut Kaffee ein. »Die Fahrzeugpapiere sind im Handschuhfach, und ich garantiere Ihnen, daß sie in Ordnung sind. Wie die Sache auch ausgehen mag, der Wagen gehört Ihnen.«
Er blickte zu Croaker auf und setzte sein gütigstes Lächeln auf, jenes Lächeln, welches er für die Mitglieder der Jury reserviert hatte und das ihnen zweifellos bei ihren Beratungen im Gedächtnis bleiben würde. »Nehmen sie das Geschenk an, Sir. Ich kenne meinen Klienten. Er würde es als Beleidigung empfinden, wenn sie es nicht täten.«
Durch diese einfache Aussage hatte Majeur Croaker alles verraten, was er über den mysteriösen Klienten wissen mußte: Er war reich, mächtig und hatte beträchtlichen Einfluß. Er war großzügig, wahrscheinlich ehrenhaft und mit ziemlicher Sicherheit skrupellos.
»Worin besteht die Gegenleistung für die Niere?«
Majeur nickte, als würde er Croakers Entscheidung gutheißen. »Bevor ich beginne, möchte ich Ihnen sagen, daß mein Klient sie wissen lassen will, daß es sein Wunsch war, diese Niere Ihrer Nichte ohne Gegenleistung zukommen zu lassen. Leider haben die Umstände diese Großzügigkeit unmöglich gemacht.« Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Vorderseite des Grabsteins. »Sehen sie das hier?«
Croaker blickte auf die Inschrift auf dem Grabstein aus Granit:
THERESA MARQUESA BARBACENA
1970-1996.
MÖGEN GNADE UND BARMHERZIGKEIT
FÜR IMMER MIT IHR SEIN.
»Wie sie sehen, war Theresa sechsundzwanzig Jahre alt, als sie starb.« Majeur schloß langsam und schweigend die Frühstücksbox. »Vielmehr - als sie ermordet wurde.«
Seine Hände umklammerten den Deckel der Box, als wären sie Diener, die auf weitere Anweisungen warteten.
»Was für eine Beziehung hatte das Mädchen zu Ihrem Klienten?«
Majeur schien ein stummes Selbstgespräch zu führen.
Croaker atmete tief durch. »Ihr Klient will also im Gegenzug für die Niere, daß ich herausfinde, wer sie ermordet hat.«
»O nein, Sir.« Majeur hatte offensichtlich den Höhepunkt seiner zusammenfassenden Betrachtungen erreicht.
»Mein Klient weiß, wer sie getötet hat. Ihr Ehemann, ein gewisser Juan Garcia Barbacena. Er hat sie bewußtlos geschlagen, ihr ein Kabel um den Hals geschlungen und solange zugedrückt, bis ihr die Zunge aus dem Mund sprang und das Blut aus ihren Augen tropfte.«
Majeur war ein Meister seines Fachs. Er wartete gerade lange genug, bis Croaker die schrecklichen Details des Mordes verdaut hatte, bevor er fortfuhr. »Und wissen Sie, warum er sie umgebracht hat, Sir?« Majeur schüttelte den Kopf. »Aus dem banalsten aller denkbaren Gründe. Er hatte eine Geliebte, und Theresa war ihm auf die Schliche gekommen. Aber statt sich an jemanden um Hilfe zu wenden - jemanden wie meinen Klienten - und ihm zu erlauben, das Problem auf seine Art und Weise zu lösen, hat sie Juan Garcia zur Rede gestellt. Sie hat ihn verbal bedroht, nicht etwa physisch, wie ich Ihnen versichern kann. Sie war nicht diese Art von Frau. Und als Reaktion darauf hat er sie umgebracht.«
»Hört sich nach einem klaren und abgeschlossenen Fall an«‚ sagte Croaker. »Wenn es stimmt, was sie behaupten …«
»Es ist die Wahrheit.«
Croaker blieb unbarmherzig. »Wenn sie ausreichende Beweise haben, sollten sie oder Ihr Klient zur Polizei gehen.«
Majeur seufzte.
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