Schwarze Heimkehr
voller Sehnsucht zu sein. Es tat Croaker leid, daß sie in dieser Mausefalle von einem Job gefangen war. Er konnte in ihrem Gesicht lesen, weil er schon so viele Frauen von ihrer Sorte kennengelernt hatte. Im Moment wollte sie nur ins Auto steigen und davonfahren, ganz egal, wo sie landen würde. Sie wollte nur den Wind auf ihrer Haut spüren und diese verfluchte Seitenstraße hinter sich lassen.
»Kommen sie mit der gerichtlichen Verfügung zurück, dann ist mir alles recht. Dann werde ich Ihnen zeigen, was immer sie sehen wollen.«
»Gerichtliche Verfügung«‚ sagte Croaker grüblerisch. »Hört sich an, als wäre das schon mal vorgekommen.«
»Nicht bei mir.«
»Sagen Sie, Vonda.« Er stützte sich mit den Ellbogen auf die Theke. »Würden sie eine gerichtliche Verfügung erkennen, wenn sie eine sähen?«
»Mit Sicherheit.« Sie kramte drei zusammengeheftete, mit Kaffeeflecken beschmutzte Blätter hervor und zeigte mit einem ihrer klauengleichen Fingernägel darauf. »Mein Boß hat mir diese Kopien gegeben. Wenn die gerichtliche Verfügung nicht genauso aussieht, hat mein Boß gesagt, ist es eine Fälschung.«
Er nickte und zeigte, daß er beeindruckt war. »Ihr Chef scheint ja an alles gedacht zu haben.« Und schien übermäßig besorgt zu sein, was gerichtliche Verfügungen anging. »Wie heißt ihr Boß?«
»Trey Merli.« Sie buchstabierte ihm den Namen automatisch, als wäre sie daran gewöhnt. Aber bei diesem Namen war das auch kein Wunder.
»Danke für Ihre Hilfe.« Croaker blieb auf dem Weg zur Tür stehen, als wäre ihm plötzlich etwas eingefallen. »Übrigens, wann machen sie den Laden hier dicht?«
»Punkt halb sieben.«
Draußen stieg er in den Thunderbird und schob eine Kassette der Everly Brothers in den Rekorder. Während die Musik lief, fuhr er die I-95 in östlicher Richtung hinab und wandte sich dann nach Süden. Er kramte Majeurs Visitenkarte hervor und benutzte, einer plötzlichen Eingebung folgend, den Computer, um sich bei Southern Bell einzuklinken. Es dauerte eine Zeitlang, bis er Zugang erhielt, dann gab er die Nummer ein, unter der Majeur, wie er versichert hatte, Tag und Nacht zu erreichen sei.
Er blickte flüchtig auf die Mitteilungen auf dem Bildschirm. Es würde mit Sicherheit einige Zeit dauern, die Nummer ausfindig zu machen. Er schaltete den Computer in den Standby-Modus.
Als er in E- Portal ankam, hatte er die Everly Brothers gegen Jay and the Americans ausgetauscht, und Jay Black stimmte ›Only in America‹ an.
Sonias fünf Jahre alter Camaro stand immer noch in ihrer Garage. Auf der Heckscheibe befand sich ein blaugrüner Aufkleber, auf dem RETTET DIE SEEKUHE stand. Croaker blieb einen Moment lang sitzen und lauschte, wie der Motor des Thunderbird ausklang. Dann und wann trug die sanfte Brise das Geschrei radfahrender Kinder zu ihm herüber. Vorn Ende der Straße hörte er das monotone Brummen der Autos auf der Zweiten Avenue. Er starrte auf das Haus mit dem blaßblauen Putz und den steinernen Seepferdchen auf dem Rasen davor. Der Springbrunnen, den sie hochhielten, schien ein Sinnbild für Sonias Leben zu sein. Er war zerbrochen und ausgetrocknet, ein leerer Raum, der darauf wartete, repariert und aufgefüllt zu werden, der sich nach dem heiteren Flügelschlagen und dem sanften Piepen der Singvögel sehnte, die auf seinem wundervoll geschwungenen Rand thronen würden. Wie leicht hätte man den Springbrunnen reparieren können, wie leicht hätte man Sonia glücklich machen können. Jetzt war beides nicht mehr möglich. Die bemoosten Seepferdchen und der zerbrochene Springbrunnen versinnbildlichten die Melancholie, die über dem Ort hing, als wäre Sonias ruheloser Geist immer noch hier und wartete darauf, befreit zu werden. Vielleicht konnte er, wie der Geist von Bennies Großvater, die Reise in die Unterwelt erst dann antreten, wenn derjenige, der sie ermordet hatte, zur Rechenschaft gezogen worden war. -Die Bonita-Zwillinge.
Als es im Wagen so heiß wurde, daß Croaker Schweißperlen über den Rücken zu rinnen begannen, stieg er aus und schritt die Treppe zur Veranda hoch. Von hier konnte er hinter Sonias Schlafzimmermarkise die Seitenwand des Nachbarhauses sehen. Sie bestand aus rosafarbenem Stuck und einer knapp einen Meter hohen Schicht eingelassener Backsteine. Ein Pampelmusenbaum, der dringend beschnitten werden mußte, verdeckte die nahegelegene Hausecke.
Er steckte den Schlüssel ins Schloß und drehte ihn herum. Er konnte immer noch ihren Geruch
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