Schwarze Heimkehr
Geräusch kam?«
»Es schien aus der Richtung von Miß Villalobos’ Haus Zu kommen.«
»Von der Vorderseite?«
Mr. Leyes schüttelte den Kopf. »Nein. Das war ja das Merkwürdige. Es kam von dieser Seite, zwischen ihrem und meinem Haus.«
Also von dort, dachte Croaker, wo er und Bennie auf dem aufgeweichten‚ nassen Boden die beiden parallelen Zugspuren gesehen hatten.
»Wodurch wurde dieses Geräusch verursacht, Mr. Leyes?«
Leyes preßte das kühle Glas gegen das Fleisch seines Armes.
»Vielleicht kam es aus dem Kleinlaster.«
Croakers Herzschlag setzte einen Moment lang aus. »Was für ein Kleinlaster?«
Leyes schüttelte den Kopf. »Der weiße Kleinlaster. Er stand auf dem Betonweg neben ihrem Haus.«
»Um wieviel Uhr war das?«
»Lassen sie mich überlegen ….« Leyes verzog das Gesicht wieder. »Ich schätze, daß es nach eins und vor halb drei war. Ich orientiere mich an den Autorennen im Fernsehen. Das ist meine Methode, mich an Zeiten zu erinnern.«
»Ist Ihnen außer der Farbe noch etwas an dem Kleinlaster aufgefallen?« fragte Croaker langsam und vorsichtig. »Das Baujahr, die Marke oder das Modell? Das Nummernschild?«
»Wie ich schon sagte, der Kleinlaster war weiß. Er hatte mit Sicherheit ein Nummernschild aus Florida. Ich erinnere mich an die Farben. Ich habe keine Ahnung, was für eine Marke es war, aber es war bestimmt ein amerikanisches Fabrikat. Keines von diesen japanischen.«
»Hatte der Laster eine Aufschrift?« fragte Croaker. »War es ein städtischer Wagen, oder haben sie einen Firmennamen gesehen?«
Leyes schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe keine Aufschrift gesehen.«
»Ist Ihnen irgendwas anderes aufgefallen?«
»Ja«, sagte Leyes. »Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, fällt mir dieser kleine Aufkleber auf der Rückseite des Lasters ein. Auf ihm sah man ein Dreieck in einem Kreis.«
*
Croaker kehrte nicht sofort in Sonias Haus zurück, sondern fuhr quer durch El Portal zu der Adresse, die er von Southern Bell erhalten hatte. Er wollte Nestor besuchen, Sonias Freund, den Tänzer.
Die Musik, die aus den Boxen des Autoradios drang, nahm er nicht wahr. Er mußte daran denken, was Mr. Leyes auf der Rückseite des weißen Kleinlasters gesehen hatte. Das Dreieck innerhalb eines Kreises war eines der beiden Symbole, die mit Blut in Sonias Kühlschrank geschmiert worden waren, und eines der vier magischen Zeichen, die die Heilkundigen der Guarani benutzten, wenn sie in
Hetá I
initiiert wurden. Bennies Großvater hatte die Bonita-Zwillinge eingeweiht und sie hinsichtlich der Rituale und Zauberkünste unterrichtet, doch sie waren ganz offensichtlich keine Heilkundigen, sondern Kriminelle.
Im Gegensatz zu der großen Mehrheit der Häuser in El Portal, die ordentlich, gepflegt und frisch gestrichen waren, mußte Nestors Haus dringend renoviert werden. Eine Aufgabe für einen Bastler, wenn das Haus zum Verkauf gestanden hätte.
Die Stuckfassade blätterte ab, und hier und dort sah man das darunterliegende Betonskelett. Es war schwierig, die ursprüngliche Farbe des Hauses zu bestimmen. Jetzt erkannte man nur noch eine langweilige bleiche Farbe, die an Haferflocken erinnerte.
Auf Croakers hartnäckiges Klopfen hin öffnete eine Frau mit mahagonibrauner Haut die Tür.
»Wollen sie mit Ihrem penetranten Klopfen die Toten wecken?« fragte sie in mahnendem Tonfall. »Wer sind Sie?«
»Lew Croaker. Ich bin ein Freund von Sonia Villalobos.«
Die Frau zögerte noch, doch dann hörte man eine dünne Stimme aus dem Inneren des Hauses. »Schon in Ordnung, Mrs. Leyes. Lassen sie ihn rein.«
Estrella Leyes war eine ansehnliche Frau, die ein Jahrzehnt jünger als ihr Ehemann wirkte. Sie hatte große kaffeebraune Augen, hohe Wangenknochen und volle Lippen. Ihr dichter Haarschopf war am Hinterkopf mit einer handgearbeiteten silbernen Nadel zusammengesteckt. Ihr Haar war schwarz, wenn man von einer weißen Strähne in der Mitte absah, die an einen nächtlichen Blitz erinnerte.
Ein seltsames Gemisch von Gerüchen schlug Croaker entgegen: der Übelkeit erregende, säuerliche Geruch nach Krankheit, der sich mit den reinigenden Düften von Zeder, Pfefferminze und Rosmarin mischte. In einer Bronze-Vase in der Mitte eines Beistelltischchens stand eine Rose.
Estrella Leyes war klein und hatte einen feurigen Gesichtsausdruck. Sie konnte genauso schnell lächeln, wie sie sich verteidigen konnte. »Tut mir leid«, sagte sie, Während sie die Tür hinter ihm schloß, »aber Nestor hat
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